Nero zündelt an den Antikenfestspielen

TRIER. Nach drei ruhigen Jahren sorgen die Antikenfestspiele wieder für Sorgenfalten. Das Debakel mit dem eigens für Trier produzierten Musical "Quo vadis" reißt ein 193 000-Euro-Loch in die Kasse. Unklar ist, wer für das Defizit aufkommen soll.

Der Trierer Kulturausschuss tagte gestern Abend einmal mehr hinter geschlossenen Türen. Das war vielleicht gut so, denn Kulturdezernent Ulrich Holkenbrink und Intendant Gerhard Weber mussten den Ratsvertretern ein sorgfältig gehütetes Geheimnis nahe bringen: Die knapp 200 000 Euro, die den Antikenfestpielen 2005 im Nachhinein fehlen - rund ein Viertel des Gesamt-Etats. Mit einem gemäßigten Minus hatten die Fraktionen wohl gerechnet, schließlich war unübersehbar, dass beim ambitioniert angekündigten Musical "Quo vadis" mehr als die Hälfte der Plätze im Amphitheater leer geblieben war. Mit 75 Prozent Auslastung hatte Gerhard Weber kalkuliert, 45 waren es am Ende. Aber dass neben den 110 000 Euro an fehlenden Zuschauereinnahmen auch noch 83 000 Euro an Kostenüberschreitungen für die "tontechnisch aufwändige Produktion" (Weber) zu verkraften sein würden, kam bei den Volksvertretern nicht gut an. Einen "dicken Hund" nannte der Grüne Gerd Dahm gegenüber dem TV die Mehrausgaben. Wegbleibende Zuschauer gehörten "wahrscheinlich zum Risiko der Kunst", aber Ausgaben-Überschreitungen seien indiskutabel. "Das hätte nicht passieren dürfen", sagte auch UBM-Vertreter Hermann Kleber. Das Defizit sei "keineswegs unausweichlich gewesen". Man müsse "eine Liste von Fragen stellen", kündigte SPD-Ratsfrau Waltraud Jammers an und beklagte "gravierende Versäumnisse". Die Äußerungen des Kulturdezernenten und seines Intendanten - so weit öffentlich bekannt geworden - blieben zurückhaltend. Man habe aber "bereits Konsequenzen gezogen, um bei den Antikenfestspielen 2006 das Budget einhalten zu können", hieß es im Ausschuss. So werde in den kleineren Kaiserthermen gespielt. Inhaltlich rudert man zurück: "Das Publikum bevorzugt klassische Werke", hat Gerhard Weber festgestellt. Offen bleibt die Frage nach den finanztechnischen Konsequenzen. Als Festspiel-Gründer Lukas-Kindermann in den Jahren 1999 und 2001 ähnliche Defizite einfuhr, löste der Stadtrat die bis dahin zuständige Festspiel-GmbH auf und gliederte das Festival dem Theater an. Das habe man "ausdrücklich getan, um Haushaltsüberschreitungen auszuschließen", erinnert sich UBM-Kulturchef Kleber. Seine Fraktion hat sich bereits darauf verständigt, "auf keinen Fall eine Budgetanpassung vorzunehmen". Der Verlust müsse im nächsten Jahr aus eigener Kraft ausgeglichen werden.Muss das Theater für die Festspiel-Verluste bluten?

Da schwerlich zu erwarten ist, dass die Festspiele 2006 einen sechsstelligen Überschuss erwirtschaften, müsste das Geld wohl beim Theater eingespart werden. Dessen Budget ist freilich bis auf den letzten Cent verplant und erlaubt ohnehin keine großen Sprünge. "Wir werden das Defizit wohl doch irgendwie decken müssen", signalisiert SPD-Frau Jammers Einsehen. Aber dafür müsste Kulturdezernent Holkenbrink entweder seine CDU-Fraktion von einer Budget-Erweiterung überzeugen oder das Geld anderswo in seinem Dezernats-Etat auftreiben. Dass er ein Jahr vor der OB-Wahl als Kultur-Abräumer auftreten will, ist schwerlich vorstellbar. Eine Entscheidung im Stadtrat ist für den 24. November zu erwarten.

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