Oper ohne Schatten

ESSEN. In der Aalto-Oper feierte das Publikum frenetisch die Wiederaufnahme der selten gespielten Richard-Strauss-Oper "Die Frau ohne Schatten". Maßgeblichen Anteil am Erfolg hatte der aus Trier stammende Bariton Franz Grundheber.

Es gibt Opernproduktionen, die zum Schwelgen in großen Stimmen einladen. Andere bieten eine musikalische Leitung, die frische Hör-Erlebnisse aus altbekannten Partituren herauskitzelt. Wieder andere zeichnen sich durch eine Regie aus, die neue Blickwinkel öffnet, ohne das Stück zu zertrümmern. Worunter Musiktheater-Fans leiden, ist der Umstand, dass diese drei Faktoren nur selten zusammentreffen und so das vollkommene Opernglück meist Fiktion bleibt. Die Oper Essen liefert mit der "Frau ohne Schatten" in der Regie von Fred Berndt und dirigiert von Stefan Soltesz einen dieser raren Momente. Bei dieser "Fantasy-Oper" hat der Komponist in jeder Hinsicht geklotzt. Sie braucht ein Riesen-Orchester, erstklassige Sänger, die über ein Spektrum von lyrisch bis hochdramatisch verfügen, und ein szenisches Konzept, das eine höchst verworrene und verwirrende Handlung vermittelt. Essen hat alles. In poetischen Bildern und grandiosen Tableaus erzählt Regisseur und Ausstatter Berndt die Geschichte von dem orientalischen Kaiser, der eine Königstochter aus dem Geisterreich ehelicht, die sich mit den Nebenwirkungen der bürgerlichen Heirat herumschlagen muss: Verfügt sie nicht binnen eines Jahres über einen Schatten als Symbol der Vermenschlichung, dann muss ihr Ehemann versteinern. Einen Schatten bekäme sie beispielsweise durch Mutterschaft, aber diese will sich nicht einstellen. So beschließt sie, angetrieben von ihrer Amme, einer Menschenfrau den Schatten abzukaufen. Objekt der Begierde wird die Frau des Färbers Barak, die sich in der Ehe mit dem kreuzbraven, ältlichen Handwerker reichlich langweilt. Am Ende erkennt die Kaiserin, dass sie mit ihrem Wunsch das Menschenpaar ruiniert, verzichtet freiwillig auf den Schatten und wird gerade durch diese menschliche Handlung zum Menschen. Minutenlange Beifalls-Orkane

In Essen kommt das nicht rührselig rüber, sondern bewegend. Franz Grundheber als Färber Barak und Julia Juon als Amme triumphieren in ihren Rollen, aber das Publikum badet auch Susan Anthony (Kaiserin), Jeffrey Dowd (Kaiser) und Luana de Vol (Färberin) in minutenlangen Beifalls-Orkanen. Der Jubel-Pegel für Dirigent Stefan Soltesz und das Orchester steigt sogar noch höher - verdientermaßen, wird doch die knifflige Partitur sowohl auf feinste Klänge als auch auf deftigste Effekte hin perfekt ausgelotet. Das ist schon ein kleines Ruhrpott-Wunder in der Aalto-Oper. Eine Produktion dieser Qualität braucht die Konkurrenz mit Wien, New York oder Paris, wo die "Frau ohne Schatten" ebenfalls zum Repertoire gehört, nicht zu scheuen. Vorstellungen am 2. und 23. Mai. Karteninfo: 0201/8122-200

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