Pathos, Leid und Fruchtbarkeit

TRIER. Spannend inszeniert und wohltuend vielfältig präsentiert sich die neue Ausstellung des Bischöflichen Dom-und Diözesanmuseums.

"Abseits" - den Pfiff, den alle Fußballer fürchten, scheinen diechristlichen Kirchen immer wieder zu überhören. Nicht nur Mariadroht dabei das Aus. Vielerorts taugt sie gerade noch alsAntiquität, geeignet zur ergötzlichen kunstgeschichtlichenBetrachtung. Für Wallungen sorgt die Gottesmutter höchstens nochbei den feministischen Theologinnen. Denen ist der Marienkult daserklärte Instrument einer Männerkirche, um Frauen aufMutterschaft und Dienstbarkeit einzuschwören. Fest steht: Wie alle anderen Glaubensbilder und -vorstellungen ist auch der Marienkult nach menschlichem Maß gemacht. Sein Erscheinungsbild ist von Zeitgeist und Bewusstseinsstand abhängig und vom Gesamtzustand der Kirche, die ihn praktiziert. Auch Maria kann nicht fortschrittlicher sein als die restlichen kirchlichen Autoritäten, seien sie göttlicher, seien sie irdischer Natur. Glauben müsse denkender Glauben sein, hat Bischof Marx unlängst gefordert. Das Bischöfliche Dom- und Diözesanmuseum hat seinen Chef gleich beim Wort genommen und anlässlich der diesjährigen Heilig-Rock-Tage das Marienbild mit einer sehr sehenswerten Ausstellung zur Diskussion gestellt. Mitveranstalter ist der Diözesanverband der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands. Gezeigt werden Mariendarstellungen seit 1945.

Das ist vernünftig. Schließlich begann die Hoch-Zeit der weiblichen Emanzipationsbewegung hierzulande in den 50er Jahren. Zudem haben gerade die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs und der Jahre danach das Bild von Frauen und Müttern ganz entscheidend geprägt und verändert. Es mag seltsam klingen, aber es ist ein ausgesprochenes Verdienst der Ausstellung, dass sich unter den knapp drei Dutzend Marienbildern zahlreiche Stücke befinden, die nur so zur kritischen Diskussion herausfordern. Das macht die Schau nicht nur redlich, sie macht damit auch offensichtlich, wieviel falsches Pathos, wieviele Lippenbekenntnisse und wieviel Formel sich mit dem Marienkult und nicht zuletzt mit dem Muttersein verbindet.

So ist Käthe Kollwitz pathetisches Leid heute kaum noch zu genießen. Wieviel überzeugender ist da Theo Balden. Auch Ewald Matarés Madonna im Lilienkranz bleibt Dekor. Tief verwurzelt in der Tradition ihrer christlichen Kunst sind Bildhauer wie Gerhard Marcks und Jochen Pechau mit ihren Himmelsköniginnen. Und auch Lucien Wercollier gehört dazu mit seiner im Geist barocken Madonna. Und noch eins wird deutlich, was auch anderswo gilt. Die moderne Kunst hat die Institution Maria vielfach privatisiert. Wo noch dereinst Maria mit ihrem Leiden dem göttlichen Gesetz folgte, da leiden die Mütter von Bernhard Philipp, von Wolf Spitzer oder Moritz Götze an ihrer ganz persönlichen Tragödie.

Bildnerisch mit Ja beantwortet hat die Frage, die dieser Schau den Titel gab, am eindeutigsten Peter Blake. Maria sitzt unbeachtet am Wegrand, während die moderne Freizeit und Fitnessgesellschaft anderweitig beschäftigt ist. Formelhaft bleiben Nina Kochs und Josef Henselmanns Arbeiten. Dagegen befindet sich Reinhard Heß' Maria im wohltuenden Abseits ihrer Selbstversunkenheit. Dass jemand der zweiten leicht kubistischen Heß-Arbeit den Zusatz "gengeschädigt?" verpasst hat, ist ärgerlich.

Wie sehr Marienbilder im Dienst der kirchlichen Lehre stehen, beweist der Streit um die Madonna von Friedrich Press. Ihre Aufstellung hatte der Bischof von Speyer untersagt. Die ab-strakte Zeichensprache schien ihm wohl zu beliebig deutbar.

Und noch eins verschweigt die Ausstellung nicht. Der Marienkult hat seine Wurzeln in den alten indogermanischen Mutter- und Fruchtbarkeitskulten. Henry Moores Urmutter ist Mutter Erde und Gottesmutter, ein Bild ewiger Erneuerung. Mit dem Engländer einig ist sich darin Waltraud Jammers, die erst mal den Schritt zurück bis zur Antike macht.

Bis 29. 6., mo.-sa. 9 bis 17 Uhr, so. 13 bis 17 Uhr, Katalog 10 €, www.museum.bistum-trier.de hel

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael Bolton Vom erwischt werden
Aus dem Ressort