Paukenschlag vor Toresschluss

TRIER. Vor Beginn des großen Umbaus präsentiert das Städtische Museum eine Ausstellung über die Franzosenzeit. "Unter der Trikolore" zeigt, wie wechsel- voll die Jahre zwischen 1794 und 1814 verliefen.

Das Gemälde von Simon Meister aus dem Jahr 1832 zeigt Napoleon zu Pferde, beherrscht, fast griesgrämig und in durchaus normaler Position. Anders als die Potentaten der Feudalzeit, die sich vorzugsweise als Beherrscher widerspenstiger Rösser porträtieren ließen. Ein Bürgerkaiser. Und das Krönungsbild von 1804, das mit viel Mühe aus Brüssel ins Trierer Museum Simeonstift entliehen werden konnte, porträtiert ihn im kaiserlichen Ornat mit deutlich klassizistischem Gepräge. Die barocke Fürstenzeit war vorbei.Zeit von Umbruch und Erneuerung

Eine Napoleon-Ausstellung? Nein, betonen Elisabeth Dühr und Christl Lehnert-Leven vom Städtischen Museum, der Franzosenkaiser sei zwar ein Schwerpunkt der Schau, aber es gehe um etwas anderes: um die Zeit, in der Stadt und Region zu Frankreich gehörten. Eine Zeit des Umbruchs, der Unsicherheit, der Erneuerung und auch der Befreiung. Die Neuzeit. Tatsächlich: Wer nach dem Eingang zum Simeonstift programmgemäß links abbiegt, erhält erst einmal einen plastischen Eindruck vom Regime des Kurfürsten Clemens Wenzeslaus. Dafür steht beispielsweise ein Kalender von 1794, der das Kalendarium so mit Herrschafts-Insignien überhäuft, dass der Eindruck entsteht, Clemens höchstpersönlich habe den Jahreslauf erfunden. Ein anderes Dokument verzeichnet die Winzer, die dem Kloster Simeonstift den Zehnten schuldeten. Für die war der Einzug der Franzosen am 9. August 1794 zweifellos eine Erleichterung, fielen doch diese Steuern fort. Andere Veränderungen gestalteten sich problematischer. Kunstschätze wanderten nach Paris, die Bevölkerung wurde mit Sonderzahlungen und Einquartierungen belastet, und wenn sich Widerstand gegen die Rekrutierung zur kaiserlichen Armee regte, winkte die Guillotine. Ein Exemplar steht im Dormitorium, in unmittelbarer Nähe zum napoleonischen Krönungs-Prunkbild. Schließlich brachte die Eingliederung nach Frankreich, die de jure 1801 erfolgte, auch eindeutig positive Veränderungen. Zahlreiche Beschränkungen fielen fort. Maße und Gewichte wurden einheitlich. Der kirchliche Besitz wurde verkauft - keineswegs verschleudert, wie manche Darstellungen behaupten. Im Gegenzug erhielten die Pfarrer ein Gehalt vom Staat. Das ist eines der Forschungsergebnisse, die das zweibändige Handbuch zur Ausstellung dokumentiert (Preis: 32 Euro). Im Mittelpunkt der Ausstellung steht das vertrackte Ineinander von Befreiung und Bedrückung, vom Ende alter Beschränkungen und dem Beginn neuer Zwänge. Die amtlichen Dokumente sind bezeichnend für diese Situation. Sie präsentieren sich ausnahmslos zweisprachig. Mit der Sprache des neuen Vaterlands konnten sich die Trierer nie recht anfreunden. Christl Lehnert-Leven und Elisabeth Dühr haben die Ausstellung vier Jahre lang vorbereitet. Die gut 400 Exponate stammen aus den "QuattroPol"-Städten Saarbrücken, Metz, Luxemburg und selbstverständlich Trier. "QuattroPol" hat auch 35 000 Euro zugeschossen. Weitere Geldmittel stammen von der Landes-Kulturstiftung, der Kulturstiftung der Sparkasse Trier und der Nikolaus-Koch-Stiftung. Die Stadt zahlte 100 000 Euro und hofft jetzt, dass ein Teil der Summe über einen EU-Fonds refinanziert werden kann. Ein Begleitprogramm macht das plastische Zeitbild noch anschaulicher. Jörg B. P. Mayer hat für die Ausstellung eigens ein Theaterstück geschrieben. "Trèves - oder die Freiheit des Friedrich Hayn" setzt szenisch um, was die Menschen damals bewegt haben mag.Inhaltsreich und frei von Scheuklappen

Eine inhaltsreiche, eine scheuklappenfrei erarbeitete Ausstellung. Erlebbare Geschichte, ein Paukenschlag vor dem Toresschluss zum Umbau. "Unter der Trikolore" wird am Sonntag, 6. Juni, um 10 Uhr eröffnet. Alle Interessierten sind willkommen. Um 16.30 Uhr hat Jörg Mayers Theaterstück im Brunnenhof Premiere, und am 7. Juni, 19 Uhr, referiert Alain Ruiz über "Professor Kant ist tot, es lebe Kaiser Napoleon". Bis 31. Oktober täglich 9 bis 17 Uhr. Anmeldungen für Führungen (auch Schulklassen) unter 0651/7181459 oder stadtmuseum@trier.de. Internet: www.museum-trier.de

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