Römischer Sommer - und keiner merkt's

Das sommerliche Kulturprogramm in Triers antiken Stätten geht zu Ende. Rund 60 000 Menschen kamen innerhalb von nur zehn Wochen zu Klassik, Rock, Oper oder Spektakel. Aber von einer effektiven, außenwirksamen Vermarktung ist man weit entfernt.

Trier. Dabei können sich die Zahlen mehr als sehen lassen. Fast 11 000 Besucher kamen zu den Antikenfestspielen, "Brot und Spiele" brach mit 23 000 Zuschauern alle Rekorde, die fünf Amphitheater-Konzerte von Ingo Popp lockten 12 000 Interessenten, die Moselfestwochen boten rund um die Konstantin-Basilika und bei "Carmina Burana" 7000 Enthusiasten hochwertige Programme. 35 Veranstaltungen in 70 Tagen, dazu 200 Erlebnis-Führungen: Nimmt man die Gesamtzahl der sommerlichen Kultur-Besucher bei den Veranstaltungen in den antiken Stätten, dann könnte Trier durchaus mit großen bundesweiten Festivals konkurrieren. Aber von überregionaler Resonanz ist wenig zu merken, sieht man von "Brot und Spiele" ab. Und wenn, dann gilt sie einzelnen Aspekten. Denn der "römische Sommer" in Trier ist kein Produkt, das gemeinsam professionell vermarktet wird. Jeder kämpft für sich allein."Die Partikular-Interessen müssen überwunden werden", sagt Andreas Kagermeier, Professor für Freizeit- und Tourismusgeographie an der Uni Trier. Eine gemeinsame Vermarktung sei "die einzige Chance, sich am Markt zu behaupten", eine "Dachmarken-Strategie" mit einem "klaren Rahmen" sei der richtige Weg.Bislang gibt es das gemeinsame Dach nur auf dem Papier, als stiefmütterlich behandeltes Logo. In der Praxis reicht es oft nicht einmal für ein koordiniertes Vorgehen der Veranstalter. "Es wäre schon schön, wenn die linke Hand wüsste, wann die rechte eine Tribüne aufstellt", sagt der private Konzertveranstalter Ingo Popp nicht ohne Sarkasmus. Er will im nächsten Jahr aus dem risikoreichen Open-Air-Geschäft ganz aussteigen - ein großer Verlust für Trier. Dabei machen ihm die Konzerte in den antiken Stätten durchaus Spaß. Aber das alleine, so seine Erfahrung, lockt noch nicht die Massen.Mehr Publikum - das wünschen sich alle Veranstalter. Aber es geht auch darum, den Kultur-Standort Trier aufzuwerten und damit die Zuschauer-Basis über den regionalen Rahmen hinaus zu vergrößern. Koordination und gemeinsame Vermarktung brauchen aber "stabile Strukturen und eine sichere Basis", sagt Experte Kagermeier. Für die könne aber nur die Stadt sorgen, in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Konkret heißt das aber auch: Es muss investiert werden, in professionelles Marketing-Knowhow und in ein Budget, das es erlaubt, zu agieren. Wie das funktionieren kann, zeigt gerade im Moment die Konstantin-Ausstellung. Eine von Kagermeier geleitete Arbeitsgruppe hat als Erfolgs-Indikatoren die professionelle, langfristig angelegte Öffentlichkeitsarbeit und die klare "römerzeitliche Markenbildung" ausgemacht. So hofft der Professor nun auf eine "aus Konstantin entstehende gewisse Dynamik". OB Jensen, ohnehin dabei die Antikenfestspiele neu zu ordnen, will das Thema "gemeinsame Koordination und Vermarktung" demnächst auf die Tagesordnung setzen. Schließlich habe es "keinen Sinn, jedes Problem einzeln zu betrachten". Meinung Verschwenderische Sparsamkeit Es ist schon verrückt: Da hat man in Trier eigentlich alles, um bundesweit Furore zu machen: Tolle antike Stätten, hochkarätige Veranstaltungen in allen Genres, engagierte Macher. Aber es gelingt nicht, die Aktivitäten zu bündeln und schlagkräftig nach außen zu tragen. Dabei kosten Antikenfestspiele, Moselfestwochen, "Brot und Spiele" jede Menge öffentliches Geld. Schon deshalb ist es die blanke Verschwendung, ausgerechnet an der Vermarktung und der Koordination zu sparen, die den eigentlichen Nutzwert erhöhen und die Kosten senken könnten. Über die Form wäre zu reden. Eine Trierer Kultur-GmbH? Oder an einen bestehenden, kompetenten Träger andocken? Das ist zunächst zweitrangig. Aber man müsste den Veranstaltern schon etwas bieten, damit sie Interesse haben, unter das gemeinsame Dach zu kommen. Und das Land, die Wirtschaft, "Burgen, Schlösser, Altertümer" müssten mit ins Boot. Nur so kommt man aus dem Abwursteln von Einzelthemen heraus. d.lintz@volksfreund.de

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