Ganz europäisch gesinnt, schrieb er unzählige Bücher und Aufsätze in Luxemburgisch, Deutsch und Französisch. Vor Kurzem ist Guy Wagners letztes Buch erschienen - auf Deutsch. Er hatte es aus älteren und ganz aktuellen Texten zusammengestellt. Nach seinem Tod ist es ein Vermächtnis geworden "In c-Moll" heißt der vielsagend-rätselhafte Titel. Im Partitur-Ausschnitt auf der ersten Seite findet sich die Lösung. Wagner zitiert Mozarts "Maurerische Trauermusik". Mozart gehörte zu einer Freimaurer-Loge - genau wie Guy Wagner, dessen Monografie "Bruder Mozart" in Deutsch, Französisch und sogar Polnisch erschienen ist.
"In c-Moll" ist ein sehr persönliches Buch. Die meist kurzen Prosatexte, ergänzt von Gedichten und Zitaten, sind Ergebnis von scharfer Beobachtung und präzisem Gedächtnis, von Reflexion und Selbstreflexion. Aber auch im Persönlichsten sinken die Texte nie ab in selbstgefällig-larmoyante Nabelschau. Immer wieder greift die erlebte Geschichte ein in die Reflexionen des Autors - die Gefahren der Kernkraft, die Verzweiflung der Menschen im Bosnien-Krieg, der Schrecken nach dem Pariser Attentat. Und am Ende wird Guy Wagners Buch ganz aktuell. Da erscheint auf eine Seite in dokumentarischem Schwarzweiß die Aufnahme des ertrunkenen Kindes, die vor einem Jahr durch die Medien ging. Der Text dazu ist eine vernichtende Anklage. "Denn dies ist nicht mehr das Europa, das unsere Väter sich erträumt haben, das Frieden und Einigkeit suchte, sondern eines, das in seine archaischen, stumpfsinnigen Egoismen zurückgefallen ist und dabei ist, sich verrottend aufzulösen."
Bis zum Ende hat Guy Wagner für die "Kulturnation Europa" gekämpft. Die aktuelle Entwicklung im Alten Kontinent wäre für ihn sicherlich Anlass gewesen zu erneutem, entschiedenen Einsatz.
Martin Möller
Guy Wagner, In
c-Moll. Wörter,
Texte. Editpress Editions le Phare, Esch/Alzette, 18 Euro.