Sie kam, sah und überraschte

Norwegens spannendster und hübschester Musik-Export machte am Samstag Station in der Trierer Europahalle. Maria Mena kam, sah - und überraschte. Gemeinsam mit ihrer Band präsentierte sie einen ganz anderen Sound als auf ihrem Erfolgsalbum "Apparently unaffected".

Trier. Wer Maria Mena nur von der CD kennt, erwartet hübschen, radiotauglichen Songwriter-Pop, der an Suzanne Vega, Katie Melua und vereinzelt auch schon mal an Shakira erinnert. Es dauert keine fünf Minuten in der Trierer Europahalle, um festzustellen, dass Maria Mena mehr ist als eine "so ähnlich wie"-Sängerin. Da schwappt ein erdiger, kerniger Rock von der Bühne, präsentiert von einer exzellenten Band. Mit "Power Trip Ballad", bislang nur als Bootleg-Video zu haben, und "You are the only one" von dem hierzulande unbekannten "White turns blue"-Album lässt die 22-jährige Norwegerin es gleich zu Anfang so richtig krachen.Einblicke ins Seelenleben - ohne zu jammern

Da schaut mancher im Publikum ein bisschen irritiert drein, der Maria Mena nur von den Single-Auskoppelungen kennt, die SWR 3 seit einem Jahr mächtig pusht. Die halbe Halle reicht an diesem Samstagabend, 800 Zuschauer mögen es sein, die Erwartungshaltung steht auf "Schaun mer mal". Aber das ändert sich schnell. Da ist etwas angenehm Frisches an dieser jungen Sängerin, die mit ihren Liedern einen Einblick in ihr Seelenleben gewährt. Und mit dem, was sie zwischendurch erzählt und das so viel authentischer klingt als die routinierten Moderationen ihrer meisten Kollegen. Sie spricht von schlechten Zeiten mit falschen Freunden, von ihren Problemen mit Magersucht - und was das alles mit ihren Songs zu tun hat. Da gibt es, wie in ihrer Musik, nicht den geringsten Anflug von Larmoyanz. Da singt sich jemand seine Verlassens-Ängste vom Leib, erzählt von Beziehungskriegen, von Scheitern, von Hoffnung, ohne herumzujammern oder Gefühle plakativ zu vermarkten. Da hat einfach jemand Lust, mit den Leuten im Saal zu kommunizieren. "It's passed stuff, you know", sagt sie, als wolle sie das Publikum beruhigen: Keine Angst, die schlechten Zeiten sind vorbei.Kaum eines ihrer Lieder klingt an diesem Abend so, wie man es aus dem Radio oder von der CD kennt. Nichts ist geglättet und routiniert, keine Spur von der üblichen, gefälligen Pop-Sound-Sauce, mit der andere beim Publikum auf Nummer Sicher gehen. Selbst ihren Hit "Just hold me" erfindet sie neu, raut ihn auf, hat live freilich auch ein bisschen mit den hohen Koloraturen des Refrains zu kämpfen - sie schleppt seit Tagen eine Erkältung mit sich herum.Wandlungsfähig und mit Sinn für Humor

Bei Balladen wir ihrem Lieblingstitel "Sorry" wird deutlich, was die Faszination der Sängerin Maria Mena ausmacht: Eine klare Stimme, die eingepackt ist in den Atem wie zerbrechliches Porzellan in Watte. Die Töne tanzen auf dem Hauch, ohne dass es maniriert wirkt. Wo gerockt wird, läuft sie auch schon mal Gefahr, unterzugehen. Mit 22 hat man noch keine "Röhre", aber um so mehr Entwicklungspotenzial. Vor allem, wenn man musikalisch so wandlungsfähig ist wie Mena, die an allen ihren Songs selbst mitgeschrieben hat. "Never mind me" klingt fast nach Bluegrass, "He's hurting me" ist von einer mächtigen Bassdrum getrieben, "Our Battles", mit dem sie den Set abschließt, gerät zur beinharten Rock-Hymne.Aber die Sängerin und ihre fünf Mit-Musiker haben offenkundig auch Sinn für Humor: Den Kiss-Hardrock-Klassiker "I was made for loving you" spielen sie bei den Zugaben als eine Art Bossa Nova. So ziemlich die einzige Tanzmusik an diesem Abend. Ein wunderschön dahingehauchtes "I miss you love", dann endet ein Konzert, das trotz nur knapper 90 Minuten wenig Wünsche offenlässt. Jubel in der Europahalle. Den es übrigens auch für den jungen Stuttgarter Liedermacher Philipp Poisel im Vorprogramm gab. Eine interessante neue Stimme, mit Texten, die in ihren lakonischen Beschreibungen an Rio Reiser erinnern, gutem Gitarrenspiel und einem Charisma, das man hinter dem noch etwas schüchternen Auftreten bereits ahnen kann. Herbert Grönemeyer hat ihn schon für sein Label "Grönland" eingekauft. Poisel - ein Name zum Vormerken.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Vom erwischt werden
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael BoltonVom erwischt werden
Zum Thema
Aus dem Ressort