TV-Serie - Trierer Unterwelt: Des Kaisers schlafende Steine

Trier · Was sich unter der Konstantinbasilika befindet und warum die Reste von Mauern für die Stadtgeschichte Triers so wichtig sind.

Es war das Ende. Fast. Fast das Ende eines Terror-Regimes, fast das Ende eines Krieges, fast das Ende einer Stadt. Als Trier 1944 von den Bomben der Alliierten beinahe dem Erdboden gleichgemacht wurde, zählten nicht nur Zivilisten zu den Opfern, lagen nicht nur Wohnhäuser in Trümmern, sondern auch historische Prunkstücke der Römerstadt. Unter ihnen die Konstantinbasilika, der antike Thronsaal des großen römischen Kaisers Konstantin.

Lange nachdem das Reich zerfallen und der römische Glanz verblasst war, wurde die Basilika als evangelische Kirche genutzt. Bis eben die Bomben fielen. Die Basilika wurde stark beschädigt, brannte völlig aus, antike Wand- und Deckengestaltungen, sogar der Boden mit den ausgeklügelten römischen Heizungssysteme wurden zerstört.

Ein großes Unglück für die evangelische Kirche, ein Segen für die Archäologie: Als in den 1950er Jahren umfangreiche Sanierungsarbeiten angefangen werden sollten, wurde ein Archäologen-Team hinzugezogen. Ein neuer Fußboden mit einem modernen Heizungssystem sollte gelegt werden, und während man sowieso in die Tiefe arbeitete, konnte man diese Phase auch für eine reiche Grabung unterhalb der Basilika nutzen. Das Ergebnis: ein Sensationsfund für die Stadt Trier: "Es handelt sich um Vorgängerbauten, verschiedene Stadtentwicklungen vor der Errichtung der Konstantinbasilika", berichtet Georg Breitner, zuständig für den Bereich Großbauten beim Rheinischen Landesmuseum Trier.

Ein Fund so wichtig für die Stadtgeschichte, dass man sich schon 1954 dazu entschloss, ihn zu konservieren, um ihn später auch für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Ausgrabung wurde mit einem Farb- und Nummernsystem versehen, um sie für Besucher verständlich zu machen, Betonzwischenwände wurden eingezogen, um die Stabilität zu wahren.
Ein ungewöhnlicher Gedanke für die damalige Zeit, in der man sich beispielsweise keinerlei Sorgen über die klimatischen Bedingungen für eine solche Ausgrabung machte. "Selbst ein normaler Keller hat seine Grundfeuchtigkeit, aber wie geht man damit in so einer Grabung um, die man für die Nachwelt konservieren möchte?" Eine Ausgrabung ist klimatisch nicht unproblematisch, besonders, wenn diese unter einem Gebäude liegt, in dem täglich im Schnitt mehrere Hundert Besucher ein- und ausgehen, dabei Kälte und Feuchtigkeit von draußen in den oben liegenden Hauptraum mitbringen.

In der Grabung ist es warm, mollige 20 Grad, vielleicht sogar mehr. Die Luft ist trocken, aber nicht so trocken, dass man nur schlecht atmen kann, es riecht nach nichts. Nicht nach Erde, nicht nach Steinen, nicht nach Staub. Kein Ton dringt durch die Betondecke, die den Innenraum der Konstantinbasilika von den Resten der Vorgängerbauten trennt. Es gibt kein Echo, die alten Kalksteine schlucken schnell jedes Geräusch. Die Grabung ist im wahrsten Sinne des Wortes konserviert. "Dadurch, dass der Raum nahezu hermetisch abgeriegelt ist, haben wir hier einen sehr trockenen Grabungsort. Aber dass das Ganze so gut funktioniert, ist außergewöhnlich", sagt Breitner.
Der Raum bekommt nur eine passive Wärme, zum Teil durch die darum verlaufende Heizungsanlage. An sich gebe es in dem Raum aber keine eigene Klimatisierung. Wichtig sei zudem, dass römischer Mörtel sogar eine gewisse Grundfeuchtigkeit brauche, trockne er vollständig aus, werde er spröde und zerspringe schnell.

Was man in dem trockenen, geräusch- und geruchslosen Raum unter der Konstantinbasilika sieht, sind schlafende Steine. Einst sorgsam aufeinandergestapelt markieren sie viereckige Gebilde, die mal Räume gewesen sein könnten.
Zwischendurch sieht man kreisrunde Löcher, wo früher Wasserleitungen verliefen. Auf dem Boden Reste eines Bürgersteigs, der überdacht war, Einbuchtungen an seinem Rand deuten auf eine Leitung hin, ähnlich einer Regenrinne, die Regenwasser vom Bürgersteig die Straße runterleitete. Alles nur Reste eines früheren prachtvollen Viertels von Augusta Treverorum. "Man sieht hier zwei ehemalige Nutzungen: eine ausgedehnte Wohnbebauung und einen Vorgängerbau der heutigen Konstantinbasilika", erklärt Maria Carmen D'Onza, wissenschaftliche Volontärin beim Rheinischen Landesmuseum Trier.

Zwei Phasen, die beide von der großen Bedeutung der ehemaligen Anlagen sprechen. Die erste, die die Archäologen in den 1950er Jahren mit einer blauen Farbe markierten, zeigt Reste eines großen Wohnhauses. Daneben eine acht Meter breite Straße, groß, aber nicht mal die größte, die es im antiken Trier gegeben hat. "Ab Mitte des ersten Jahrhunderts stand hier diese Wohnbebauung," sagt D'Onza. Geblieben sind nur die Fundamete der Hausanlage, wer darin gelebt hat, ist unbekannt, wie er gelebt hat, lässt sich nur vermuten.

Die zweite Phase wurde in den 1950er Jahren mit einer grünen Farbe markiert. Es ist die Zeit des Vorgängergebäudes der heutigen Basilika, das 100 Jahre später gebaut worden war. Und zwar in das Wohnhaus hinein. Für den Saalbau mussten Teile des Anwesens weichen, sogar die Straße verleibte sich das neue Gebäude ein. Der vordere Bereich des Prunkhauses wurde komplett abgetragen, der hintere Teil mit einzelnen Wohnräumen blieb erhalten und wurde in den Saalbau integriert: "Schon vor der Basilika gab es hier einen öffentlichen Raum und einen Verwaltungstrakt, der repräsentativ war", erklärt D'Onza. Wahrscheinlich hätten hohe Beamte, die in dem Saalbau als Verwaltungsgebäude arbeiteten, auch die dahinterliegenden Wohntrakte genutzt. "Der Bau war umfangreich ausgestattet, mit Wandmalereien und Mosaiken, sowohl aus der Zeit des Saals an sich als auch des Wohnhauses. Einige Reste der Mosaiken und Malereien wollen wir hier wieder ausstellen."
Den Saalbau selbst dürfe man sich vorstellen wie eine Basilika in Miniaturform: eine runde Apsis, mit einer Vorhalle und wahrscheinlich einem monumentalen Eingang mit großen Pfeilern. Genaueres müsse man aber noch untersuchen. Genauso wie die Reste der Wasserleitung, die in einen der Räume geführt hat. "Vielleicht war es eine kleine Wasseranlage, als ästhetisches Element."

Auch der Fußboden stellt noch ein Geheimnis dar: An einer Wand der Ausgrabung hängt eine kolorierte Zeichnung, die den mit Rundbögen versehenen Raum zeigt, in dessen Zentrum ein Wasserbecken; der Boden mit Holzbrettern verkleidet. "Das haben wir nur deswegen so gemacht, weil keine Spuren von einem anderen Boden gefunden wurden", sagt Breitner. Normalerweise finde man wenigstens Estrichreste an den Raumkanten, wenn es ein Plattenboden gewesen sei. Die dazugehörenden Marmor- oder Steinplatten seien meist für andere Dinge benutzt worden, aber etwas Estrich hätte sich dann noch finden müssen, erklärt D'Onza. "Und einen einfachen Stampflehmboden kann man sich in diesem Bau auch nicht wirklich vorstellen", sagt Breitner.
Hinter der grauen Betonwand aus den 1950ern liegt ein weiterer Raum, unordentlicher und chaotischer als der erste. Unfertige Steinmauern ragen wie Wildwuchs aus quadratischen Räumen, sie erzählen von einer anderen Zeit als der beschaulichen Wohnsituation im ersten Jahrhundert und dem geordneten Verwaltungsapparat im zweiten Jahrhundert.

"Dieser Raum repräsentiert den Leerstand des Saals im dritten Jahrhundert," erklärt D'Onza. Das Verwaltungsgebäude wurde aufgegeben, eine ganze Weile nicht genutzt und dem Verfall preisgegeben. Das Wirrwarr an ungleichmäßig großen und unordentlich gestapelten Steinen steht für eine kurze Zwischennutzung von der man heute nicht mehr genau sagen kann, was sie war. "Es kann sein, dass der Raum wieder für etwas verwendet werden sollte und man im Inneren eine Bauhütte hochgezogen hat." Was auch immer gebaut werden sollte, es wurde nach kurzer Zeit wieder aufgegeben, da die Konstantinbasilika gebaut werden sollte. Der Saal sowie die umliegenden Bauten wurden abgetragen und auf ihren Fundamenten die heutige Basilika errichtet.

In den 1950ern wurde alles sorgsam dokumentiert, jedes Detail, welches man ausgegraben hat, mit seinem genauen Fundort. Ausgewertet wurde davon bisher nicht viel. "In Trier gibt es einfach zu viel", sagt Breitner. "Man kann sich immer nur einen bestimmten Aspekt herausgreifen. Den Gesamtkomplex der Konstantinbasilika zu untersuchen würde Jahre in Anspruch nehmen. Das schafft man nicht alleine, und es muss auch erst mal finanziert werden." Eine intensive Beschäftigung mit den Baubefunden unter der Basilika fand nun im Zuge einer neuen Präsentation statt. Geführte Gruppen können die Ausgrabung sehen, einfach hinabsteigen kann der Besucher jedoch nicht. "Die Wichtigkeit und das Ausmaß dieser Grabung erschließt sich auch ohne erklärende Führung nicht", sagt Breitner.

Was aber deutlich wird: Dieser Platz habe in Trier schon immer eine besondere Bedeutung gehabt, so Breitner. "Man sucht sich für den Bau wichtiger Stätten immer einen geeigneten Ort: Hier war in Trier ein Areal, das immer trocken war." Viele Bereiche des antiken Trier hatten mit ständiger Feuchtigkeit zu kämpfen, manche Areale, besonders die zur Mosel hin, waren versumpft. Im Bereich um die heutige Konstantinbasilika wurden jedoch schon damals wichtige Gebäude und großartige römische Wohnhäuser errichtet - ein Indiz dafür, dass man sich diesen Platz nicht ohne Grund ausgesucht hatte: "Das Spannende an diesen Erkenntnissen ist, dass die Konstantinbasilika an diesem Ort keine Neuerfindung war, sondern dass dieser Bau in einer Tradition steht, dass hier schon vorher wichtige öffentliche Gebäude standen. Die Konstantinbasilika hat in dem Sinne nur monumentalisiert, was vorher ohnehin schon da war. Und das macht eben die Konservierung dieser Anlage so wichtig für die Stadtgeschichte."

In Sonderführungen können sich Besucher diese Grabung heute wieder ansehen. Über die Trier Tourismus und Marketing GmbH können solche Führungen unter Telefon 0651/9780820/-21 oder per E-Mail unter fuehrungen@trier.de gebucht werden.Extra: NEUE TV-SERIE TRIERER UNTERWELT


Trier ist eine alte Stadt und eine reiche noch dazu. Auch wenn man viele der Schätze nicht auf den ersten Blick sehen kann oder vielleicht sogar nie zu Gesicht bekommt. Denn Trier trägt sein Erbe nicht, es steht darauf. Was verbirgt sich unter Trier und an den ungewöhnlichen Orten, die fürs öffentliche Auge unsichtbar und nicht ohne weiteres zugänglich sind? In einer neuen Serie stellt der Trierische Volksfreund in Zusammenarbeit mit dem Trierer Fotografen Lars Eggers verschiedene unterirdische Orte vor, die man sonst nur schwierig erreichen kann.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Vom erwischt werden
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael BoltonVom erwischt werden
Zum Thema
Aus dem Ressort