Trilogie des Tötens

TRIER. Tiefe Einblicke in mörderische Abgründe hinter der Fassade bürgerlicher Normalität bietet „Bash“ von Neil LaBute. Gastregisseur Andreas Wiedermann inszenierte die drei „Stücke der letzten Tage“ im Studio des Trierer Theaters. In einer so eindringlichen Weise, dass sie die Zuschauer der Premiere betroffen machten.

 Durchschnittsmenschen werden zu Mördern: der Vertreter (Marcus Angenvorth), das Pärchen (Susanne Meyer mit Tim Olrik Stöneberg) und die ehemals alleinerziehende Frau (Pia Röver). Foto: Friedemann Vetter

Durchschnittsmenschen werden zu Mördern: der Vertreter (Marcus Angenvorth), das Pärchen (Susanne Meyer mit Tim Olrik Stöneberg) und die ehemals alleinerziehende Frau (Pia Röver). Foto: Friedemann Vetter

Für Regisseur Peter Zadek ist der 1961 geborene Amerikaner Neil LaBute „der erste Autor, der dieses neue Jahrhundert begreift und beschreiben kann.“ Zadek inszenierte die deutsche Erstaufführung des 1999 in New York uraufgeführten „Bash“, und noch 2001 wurde es von „Theater Heute“ zum besten ausländischen Stück des Jahres gewählt. Doch trifft LaBute, wie Zadek sagt, mit seinen „Stücken der letzten Tage“ tatsächlich den „Ton unserer Zeit“, dann werden wir wohl bald von Mördern umgeben sein – und uns alle stark davor hüten müssen, nicht selbst zu Mördern zu werden.„Bash“ besteht aus drei in sich abgeschlossenen Sequenzen – zwei Monologen und dem Dialog eines Liebespärchens –, die alle recht harmlos beginnen und schließlich auf ein mörderisches Ende hinauslaufen. Zunächst belanglose Geschichten über Karriere, Party und Liebe, erzählt in lakonisch-kühlem Plauderton, werden zur Trilogie des Tötens.Der junge Gastregisseur Andreas Wiedermann beschränkt sich in der Inszenierung auf das Nötigste – zwei schwarze Stühle, ein dunkler Tisch und ein schwarz ausstaffierter Bühnenraum verbreiten düstere Stimmung. Diese karge Ausstattung lässt keine Ablenkung von den im Scheinwerferlicht sitzenden Akteuren zu. Sie bieten dem Publikum tiefe Einblicke in die Abgründe hinter der Fassade menschlicher Normalität.Da ist zunächst der junge Versicherungsvertreter (Marcus Angenvorth). „Aus der mittleren Management-Ebene“, vergisst er nicht seinem unsichtbaren Gegenüber mitzuteilen. Ihm scheint unbehaglich zumute, wie er da sitzt in seinem beige-farbenen Anzug. Dann rückt er, zunächst fahrig, mit der Sprache heraus. Der Erfolgsdruck lastet auf ihm, er befürchtet seine Entlassung. Allein mit seiner fünfmonatigen Tochter zuhause, befällt ihn die Existenzangst. Wie soll er seiner fünfköpfigen Familie den bisherigen Lebensstandard weiterhin garantieren? Als Baby Emma sich unter die schwere Decke des Ehebettes wühlt, macht der biedere Versicherungsmann das scheinbar Unfassbare: Er drückt das Baby tiefer unter die Decke und erstickt es somit. Für das Unglaubliche hat er dann nur eine Floskel parat: „Schicksal – passiert ist eben passiert!“ Doch damit nicht genug, eine makabre Pointe am Ende setzt der Szene noch eins drauf: Die bevorstehende Entlassung erweist sich als schlechter Scherz eines so genannten Freundes. „Volltreffer!“, sagt der Mörder lapidar. Das Publikum ist aufgewühlt. Denn Angenvorth hat die innere Zerrissenheit eines Mannes deutlich gemacht, der wegen eines vermeintlichen Karriereknicks zum Kindsmörder wird.Im als Dialog angelegten Mittelteil mimen dann Susanne Meyer und Tim Olrik Stöneberg ein Studentenpärchen, das im wahrsten Sinne seine Dummheit zur Schau stellt, mit ihr geradezu protzt. Die beiden verkörpern den „American Dream“, sind nur auf Äußerlichkeit, Bodykult und Schönheit fixiert. Sie im chicen Cocktailkleid himmelt ihn an, er jedoch ist Hohlheit pur. Nach einer Party mit Freunden im New Yorker Plaza Hotel massakrieren die jungen Männer im Central Park einen älteren Schwulen, weil er sie schlichtweg anekelt. Hier zeigt Stöneberg die Intoleranz eines bieder-bigotten Toren. Dem Opfer nimmt er noch den Goldring ab, um damit seine Freundin (von Meyer als herrliches Dummchen geboten) zu beglücken. Reue ist für beide ein Fremdwort, sie sind beide zu keinen Emotionen mehr fähig.Den Höhepunkt der Trilogie bildet der Schluss-Monolog von Pia Röver. Auch sie stellt eine Kindsmörderin dar, die ihr Geständnis auf einem Kassettenrekorder zu Protokoll gibt. Von ihrem Lehrer wurde sie als 14-Jährige geschwängert, doch sie verriet ihn nie, obwohl er sie in ihrem Elend sitzen ließ. Jetzt rächt sie sich, in dem sie den gemeinsamen Sohn an dessen 14. Geburtstag in der Badewanne tötet. „Die Welt ist aus dem Lot“Das Leid des Vaters ist jetzt ihr Trost. Ihre Rache ist gelungen, die in ihrem Monolog oft gestellte Frage nach der Schuld der Sterblichen für sie erledigt. Denn: „Die Welt ist aus dem Lot“. Pia Röver bringt einfühlsam die tiefe Verletztheit dieser Frau zum Ausdruck, deren Leben durch die Feigheit des Verführers völlig ruiniert wurde.Nach über zwei Stunden im Studio zunächst Betroffenheit beim Publikum, dann lang anhaltender Applaus für die vier Akteure und den Regisseur. Denn das Bestürzende an den drei Szenen ist klar: LaBute – und Wiedermann – zeigen die Täter nicht als wahre Monster, sondern als Durchschnittsmenschen, die für einen Augenblick aus ihrer normalen Lebensbahn geworfen werden – und töten. Weitere Termine: 12., 13., 14. und 16. Februar, jeweils 20 Uhr, Karten: Telefon 0651/718–1818.

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