Verrückte Zustände, erzählerisches Glück

Die schottische Autorin A.L. Kennedy erhält den neu aufgelegten und mit 15 000 Euro dotierten Eifel-Literaturpreis. Der Förderpreis und 3000 Euro gehen an den deutschen Schriftsteller Wolfgang Herrndorf. Die Jury - Sigrid Löffler, Volker Hage und Martin Lüdke - gab ihre Entscheidung gestern bekannt.

Prüm/Bitburg. Im Prinzip ist es ja ein Glück, dass der Eifel-Literaturpreis nicht mehr zwingend an Autoren geht, die irgendwie mit dieser Region zu tun haben: So viele, die ihn verdienten, gibt es da nicht. Stattdessen werde man gleich international, sagt Josef Zierden, Chef des vom TV präsentierten Eifel-Literaturfestivals, denn wichtig seien die literarische Qualität, die Absicht, den Preis neu zu starten und ihn "markant zu etablieren. Er soll das Festival spiegeln - und im kommenden Jahr überschreiten wir ja wirklich die Grenzen." Stimmt: Erstmals wird es auch Termine in Belgien geben, die Eroberung Luxemburgs ist geplant. Deshalb die satte Summe, die renommierten Juroren - und eine Gewinnerin, die zwar international durchgesetzt, hierzulande aber noch von einem größeren Publikum zu entdecken ist: A. L. (Alison Louise) Kennedy. Die 1965 in Dundee geborene Autorin erhält den Preis laut Jury-Begründung "für ihr vielfältiges, sprachgewaltiges und formbewusstes literarisches Werk", in dem sie sich "auf extreme, auch verrückte Gefühlszustände einlässt und vielerlei menschliches Unglück in erzählerisches Glück verwandeln kann".Außerordentliche Wahrnehmungsschärfe

Erzählerisches Glück - Vorsicht: Den heimelig dahinpilchernden Kaminschmöker sollte man von dieser Schottin nicht erwarten. Dafür aber Erzählungen von außerordentlicher Wahrnehmungsschärfe. Das ist nicht immer schön, manchmal von verstörender Drastik, aber stets beeindruckend. Ein gutes Beispiel: ihr jüngster, soeben auch auf Deutsch bei Wagenbach erschienener Roman "Day", ein passagenweise anrührender Bericht aus dem Innenleben eines britischen Bomberschützen, den es nach dem Zweiten Weltkrieg zurück nach Deutschland und in einen traumatischen Strudel der Erinnerungen verschlägt. Vielleicht ihr zugänglichstes Buch - und ein empfehlenswerter Einstieg für Erstleser. Der Eifel-Literaturpreis für eine Schottin - ist das nicht doch ein bisschen gewagt? Schon, sagt Josef Zierden. "Dennoch hätten wir es uns auch einfacher machen und jemanden auszeichnen können, der sonst schon alles gewonnen hat." Das hat auch Wolfgang Herrndorf noch nicht: Deshalb erhält der ebenfalls 1965 geborene Autor und Illustrator den mit 3000 Euro dotierten Förderpreis. Und weil es bei ihm mehr zu lachen gibt als bei Kennedy. Insgesamt also 18 000 Euro für die Preisträger - eine "gigantische Summe", sagt Zierden - und dankt den Stiftern: der Sparkassen-Finanzgruppe, der Dr.-Hanns-Simon-Stiftung, dem RWE Rhein-Ruhr, der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens und dem Trierischen Volksfreund. Die Preisverleihung ist am Sonntag, 8. Juni, 11 Uhr, im Festsaal des Haus Beda, Bitburg. Die Laudatio hält Sigrid Löffler. Das Eifel-Literaturfestival wird eröffnet mit der Lesung von Martin Walser am Freitag, 25. April 2008, 20 Uhr, in Prüm.

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