Versöhnung hoch vier

TRIER. Mit freundlichen Grüßen: Die "Fantastischen Vier" haben in der ausverkauften Arena Trier schon zehn Tage vor Weihnachten eine frohe Botschaft hinterlassen - die schwäbischen Altmeister des deutschen HipHops haben ihren Job nicht verlernt. Im Gegenteil.

Der vielleicht Elfjährige hat es schon gut raus. Auf der Bühne rappen die "Fantastischen Vier" übers "Picknicker"-Dasein. Der Junge im Block F schwingt dazu in HipHopper-Manier den rechten Arm. Daneben sitzt seine Mutter; sie ist wohl Ende 30 - und macht das gleiche. Zehn Meter weiter wird es bizarr: Ein langhaariger Freund des Trockenschwimmens windet und krümmt sich, packt dann eine Rassel aus. Ein Anblick, bei dem Hardcore-Kiffern dämmern könnte, dass Drogenkonsum auf Dauer wohl doch ein Zuschussgeschäft ist. Die "Fantastischen Vier" verbinden. Schon zum vierten Mal innerhalb von 15 Monaten sind sie in Trier. Da werden selbst die Herren Rieu oder Lotti kleinlaut. Nach zwei "Unplugged"-Konzerten im Amphitheater im vergangenen Jahr und dem Kurz-Auftritt im Juli an der Uni bei der MTV-Campus-Invasion ist diesmal die teilweise bestuhlte Arena an der Reihe. Das riecht nach Abnutzungserscheinungen? Keine Rede. Mit 7000 Zuschauern ist die Arena so voll wie noch nie bei einem Konzert. Die "Fantas" locken eben. Sie ziehen noch die Fans von früher, die damals bei "Die da" oder "Saft" locker kopfnickten, während sie heute den Altersgenossen gänzlich ungerappt Bausparverträge verkaufen. Und sie ziehen die Jüngeren, die noch ernsthaft hinterfragen müssen, was cool ist und was nicht. Als wüsste das jemand. "Ihr wisst ja: Alle, die nicht hier sind, das sind die Uncoolen", trennt Michi Beck gleich zu Beginn des zweistündigen Konzerts die Spreu vomWeizen. Oder wie Smudo kürzlich in einem Interview bemerkte: "Die geilen Typen aus der Schule sind die Loser von heute." Das tröstet die Generation mehr als jeder Golf, ist versöhnlicher als das schönste "Alles wird gut" von Nina Ruge: der große Sieg der vermeintlichen Verlierer.Ewig schützt die Selbstironie

Die "Fantas" als Balsam gegen das Älterwerden oder als Anti-Faltencreme für die schrumpelnde Seele? Das funktioniert für zwei Stunden sehr ordentlich. Weil die Schwaben auch als Mittdreißiger verdammt jugendlich rüberkommen, ohne kindisch zu wirken. Weil sie erwachsen werden, aber nicht alt. Und weil die Selbstironie sie vor der Peinlichkeit schützt. Smudo, der "fleisch gewordene Messias des Groove" (Eigenaussage) lässt sich anhimmeln. Vor jeder Ansage wird Trier erwähnt, wird in die Songs gebastelt. Das dürfte bei Auftritten in Görlitz oder Recklinghausen ähnlich aussehen, aber trotzdem: Mit der Lässigkeit der Erfahrung, der Souveränität des Erfolgs, halten sich Smudo & Co. an der Spitze. Und das seit 15 Jahren. Selbst, wenn jeder längst eigene Wege geht. Smudo als Rennfahrer. Thomas D. als Eifel-Kommunarde, der im Örtchen Heyroth (Kreis Daun) eine Heimat gefunden hat. Michi Beck, der Geschäftsmann. Andy Ypsilon, der vierte Mann, der immer hinter den anderen steht. Die früheren Zeiten sind dabei immer noch die besten, auch wenn die aktuelleren "F4"-Stücke vielschichtiger sind. Am lautesten wird es bei den alten Hits. "Was geht?", fragen die "Vier", den "Tag am Meer" beschwören sie. "Sie ist weg" singen die Fans voller Überzeugung. Aber auch für kleine Ego-Trips muss Platz sein. Wenn Thomas D. bei "Krieger" in Kunstnebel getaucht wird und er Einblicke auf seine Oberkörper-Tattoo-Sammlung gewährt, wird klar, dass sich die Band auch musikalisch in verschiedene Richtungen entwickelt. Düster, metallisch, albern, mal mit einer Spur Disco oder Dub-Reggae: "F4" ist längst eine eigene Richtung. Und dafür lieben sie die Mütter und Söhne. www.intrinet.de/clickme

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