Viel Neues bei den Klassikern entdecken

Nach den Gastspielen der großen Wiener Orchester in der Luxemburger Philharmonie (der TV berichtete) war mit dem Ensemble "La Chambre Philharmonique" nun ein Orchester zu Gast, das ganz andere Töne anschlug. Am Ende gab es begeisterte Zustimmung für das Orchester und die Solistin Viktoria Mullova.

Luxemburg. Es war ein Abend, der Fragen aufwarf, das Konzert des Orchesters La Chambre Philharmonique unter Emmanuel Krivine in der Luxemburger Philharmonie. Ein Abend, der zum Nachdenken anregte, nach dem man nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen konnte. Man musste sich schon fragen: Was habe ich da gerade gehört? Auf dem Programm des Konzertes fanden sich das Violinkonzert D-Dur von Ludwig van Beethoven und die große C-Dur Sinfonie, D 944, von Franz Schubert. Zwei Meisterwerke, die es in der Rezeption nie wirklich leicht gehabt haben.Um das gleich vorweg zu sagen, mit der Violinistin Viktoria Mullova hatte Krivine eine exzellente Solistin für Beethovens Opus 61 verpflichtet. Ihre Spielkunst war über jeden Zweifel erhaben. Sie entlockte ihrem Instrument zauberhafte Töne, war eine verblüffende Technikerin, der die Anforderungen, die der Komponist stellt, mit bewundernswerter Leichtigkeit von der Hand gingen. Gleiches galt für das Orchester, in dem Krivine bei dessen Gründung 2004 Spitzenmusiker aus ganz Europa versammelte. Präzises Zusammenspiel

Präzises Zusammenspiel, begeistertes Dabeisein, konzentriertes Umsetzen des Notentextes und dabei die Anweisungen vom Pult schon vorausahnen, all das war keine Frage. Es geschah mit großer Selbstverständlichkeit, so wie man es bei einem Klangkörper, der sich auf hohem Niveau bewegt, erwarten darf. Die Fragen kamen auf anderem Gebiet. Sowohl die Solistin als auch das Ensemble haben sich der historische Aufführungspraxis verschrieben. Die internationale Kritik überschlägt sich nahezu bei Mullovas Interpretation Bachscher Sonaten, das Orchester musiziert auf historischem Instrumentarium, bis hin zum ventillosen Blech. Man musste also davon ausgehen, dass Beethoven und Schubert so erklangen, wie die Komponisten es gehört haben, es hören wollten. Wenn dem wirklich so ist, musste man sich fragen, in wie weit es überhaupt noch vertretbar ist, diese Werke mit opulenten, ja riesigen Symphonieorchestern zu hören, denn das Klanggebilde, das sich in Luxemburg entwickelte, hatte so gar nichts mit dem zu tun, was man gemeinhin gewöhnt ist. Geradezu dünn wirkten die Tuttipassagen, transparent, kurz: Sie wirkten angenehm. Für viele, die sich am Klang der großen Philharmonien delektieren, hat Krivine hier mit Sicherheit eine Missionsaufgabe. Diese zu erfüllen, bedarf es vor allem Konsequenz, die, das musste man seinem Orchester vorhalten, noch nicht bis zum Letzten erfüllt wurde. Beispielsweise sollten sich die Streicher schon darüber einig sein, ob sie nun mit Vibrato spielen oder ohne. Alles in allem aber war das Konzert nicht nur ein großer Erfolg. Es war auch geeignet zu der Feststellung, dass es bei den großen Klassikern noch viel Neues zu entdecken gibt.

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