Viel nette Blödelei

TRIER. Helge Schneider ist ein Witzbold, und er erheiterte die Menschen in der ausverkauften Europahalle so, dass sie in Jubel ausbrachen. Die Musik kam dabei leider ein wenig zu kurz.

Helge Schneider liebt Spontaneität und Improvisation, ist immer noch der sympathische Chaot mit dem teils geschniegelten, teils legeren Outfit und der raukehligen Stimme. Er steigt zur jubelnd-lautstarken Begrüßung auf die Bühne und produziert erst einmal eine gehörige Portion Situationskomik. Helge als Solo-Drummer mit all den Gesten, die Solo-Drummer nun mal haben - nur kräftig übertrieben. Auch die Band ist nicht unbedingt das, was sich mancher von einer solchen Formation erträumt. Teamkollege Bodo Oesterling schenkt regelmäßig Tee aus, Sergej Gleithmann liefert indische Tänze und handelt sich ein paar Witze ein, und Pete York sorgt als aufmerksamer Drummer für die schlagkräftige Ergänzung zum Helge-Schneider-Sound. Helge Schneider mag ulkige Privatangelegenheiten. Bei Angela Merkel redet er von abgelaufenen Absätzen und Hornhaut auf der Ferse. Für die Trierer hat er die "Römer mit ihren Römtertöpfen" parat. Er reimt "in der Weihnachtszeit, da sind die Herzen weit", lässt die Fans beim "Meisenknödel im Garten" mitsingen, erzählt von einem, der "verantwortungslos gehandelt hat, er ist nämlich gestorben". Zwischendrin produziert er unverkennbar "anal-orale" Geräusche. Helge liefert auch ein fiktives Gespräch mit Udo Lindenberg und tut das in Perfektion - egal, wie erheiternd die Inhalte auf den einen oder anderen wirken. Lustig oder nicht? Gähnen oder Begeisterung? Das dürfte Geschmackssache sein, auch wenn manche Fans das vielleicht anders sehen. Aber Helge Schneider ist in einer anderen Sparte zweifelsfrei Spitze - der Musik. Er liefert mit Songs wie "Katzenklo" nicht nur den Stoff für die allgemeine Erheiterung, sondern brilliert als Interpret. Mitten in der heftigsten Aktion setzt er sich ans Klavier und spielt saubere, rhythmisch prägnante Akkorde. Oder er lässt die Keyboard-Klänge blinken und blitzen und spielt dazu auf dem Pedal so locker den Bass, dass man ihn mal gerne mal an der Kirchenorgel hören würde. Und wie intelligent er mit der Musik umgeht. Helge Schneider spießt die Momente auf, in der traditionelle Schlager zu emotionalen Höhenflügen ansetzen und kurz danach oft schmählich in Routine versanden. Er gibt dem Rock'n'Roll eine Ladung Ironie mit und parodiert an der Gitarre die Liedermacher. Er kombiniert gezielt wildes Pathos und platte Texte. Schließlich greift er zur Trompete und liefert eine brillante Ulk-Version von Nini Rossos "Il Silenzio" aus den 60er-Jahren. Und als Zugabe singt er mit Drummer Pete York ein Duett, das so feinfühlig-misstönend gerät, dass klar wird: Dahinter stecken zwei ausgekochte Profis. Kein Zweifel: Helge Schneider kann was in der Musik. Schade, dass er sich vorwiegend aufs Blödeln verlegt hatte.

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