Viele Engel für viele Nächte

TRIER. Kaum angekündigt, schon ausverkauft: Das Konzert mit Udo Jürgens in Trier. Der Trierische Volksfreund präsentiert den Abend in der Arena am 23. Januar.

Das muss man sich mal vorstellen: Der Mann wird in diesem Jahr 70 (in Buchstaben: s-i-e-b-z-i-g)! Und keine Spur von künstlerischer Altersschwäche, wie sie etwa Frank Sinatras letzte Bühnenjahre überschattete, und die ihn zum tragikomischen Clown degradierte, der nicht mal mehr mit dem Teleprompter, der ihm seine Hits vorbuchstabierte, heil durch den Abend kam. Da haben wohl doch Alkohol und Nikotin ihren Tribut gefordert. Kamillentee hält die Stimme in Schuss

Udo Jürgens weiß schon, warum er vor jedem Auftritt dem Kamillentee zuspricht. Hat er doch selbst festgestellt: "Der Teufel hat den Schnaps gemacht". Aber keine Bange, der Mann ist mitnichten ein Heiliger. Als solcher wäre er auch nur von begrenztem Unterhaltungswert. Dagegen spricht schon das Motto des Abends: "Udo Jürgens auf Laster-Tour", wobei er sicher weniger verkehrstechnische Probleme wie Staus und Stolpes Maut-Fiasko ansprechen wird. A propos Verkehr: Eine Schwäche hat der österreichische Sänger natürlich doch - und ihr zahllose Schlager gewidmet, angefangen von "Siebzehn Jahr, blondes Haar" 1966 bis zum "Engel einer Nacht" 2002. Getreu dem Motto "Es gibt keine hässlichen Mädchen" (1984) hat er sie in zahllosen Zeilen besungen. Nun sind Frauen ja - im Gegensatz zu Schnaps und Tabak - normalerweise nicht gesundheitsschädigend, wofür Jürgens übrigens der lebende Beweis zu sein scheint: "Ich ließ wirklich nichts aus / Das gebe ich zu." Aufgrund seiner Vorliebe für immer jüngere Baujahre wurde er mittlerweile sogar zum Kollegen-Spott ("Ich bin zur Konfirmation von Udo Jürgens‘ neuer Freundin eingeladen", witzelte etwa Schlagerbarde Howard Carpendale auf seiner Abschiedstournee). Doch für einen Künstler kann es Küsse aller Art, vor allem Mu- senküsse, nicht genug geben, was sich bei Jürgens in weit über 500 Liedern niedergeschlagen hat. Bestimmt ein Zehntel davon darf sich das Prädikat "Evergreen" an die Verse heften - von "Merci, Chérie", mit dem er 1966 "Grand Prix"-Sieger wurde und den endgültigen Durchbruch schaffte, über "Ein ehrenwertes Haus", in dem er 1974 eine Breitseite gegen die Spießer schoss, bis zum Seniorenmutmacher "Mit 66 Jahren". Sogar für einen handfesten Skandal war er gut mit dem Chanson "Gehet hin und vermehret euch", das 1988 den Klerus zum Schäumen brachte. Natürlich hat‘s ihm nicht geschadet - im Gegenteil. Früher Ruhm als viel gerühmter Jazzpianist

Eigentlich ist es mit der Karriere des am 30. September 1934 in Klagenfurt Geborenen immer aufwärts gegangen. Rückschläge und Tiefpunkte vermeldet die Lebens-chronik so gut wie keine. Bereits der 14-jährige wurde ins Konservatorium aufgenommen. Ab Mitte der 50er Jahre tingelte er als - übrigens viel gerühmter - Jazzpianist und Bandleader durchs Land und machte sich auch bald jenseits der Alpen einen Namen vor allem als Sänger. Das Erstaunliche an Jürgens ist sein Talent, griffige Texte mit Melodien zu versehen - schier unerschöpflich ist sein musikalischer Einfallsreichtum (die Worte lieferten meist andere zu). Darin steht er seinem Landsmann Johann Strauß kaum nach - wenn der Dreivierteltakt von Jürgens auch eher selten verwendet wird. Hinzu kommt diese Stimme, die in dem knappen Jahrhundert, da er sie ertönen lässt, kaum etwas von ihrem Schmelz, ihrer Fülle und Geschmeidigkeit eingebüßt hat. Diejenigen, die Karten ergattert haben, werden es am 23. Januar in der Arena in Trier live erleben können. Im Gegensatz zu seinem Solo-Konzert auf dem Domfreihof im vorvergangenen Jahr hat er sich diesmal seine altbewährten Mitstreiter, die Pepe-Lienhard-Band, mitgebracht. So macht‘s bestimmt noch mal so viel Spaß, den Lastern zu frönen - vor allem dem Publikum.

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