Wer gibt künftig den Ton an?

TRIER. Der Vertrag von Generalmusikdirektor István Dénes läuft noch bis Juni 2008. Doch angesichts der langen Fristen bei wichtigen künstlerischen Positionen steht schon jetzt die Frage einer möglichen Verlängerung auf der Tagesordnung. Der GMD würde gerne in Trier bleiben, aber das Orchester plädiert für eine Neubesetzung.

Es war der 18. Dezember 1994, ein frostiger Sonntagabend. Der junge Dirigent aus Bremen kam zum Probedirigat, sah und siegte. Nach seiner "Rigoletto"-Stabführung spendete selbst das Ensemble Applaus, und das Orchester entschied kategorisch: "Den oder keinen". Ein halbes Jahr später war István Dénes Generalmusikdirektor in Trier, trotz erbitterten Widerstands des designierten Intendanten Lukas-Kindermann, der andere Personalpläne hatte.Aus den Flitterwochen wurde Beziehungs-Alltag

Der Honeymoon zwischen dem Klangkörper und seinem Chef hielt ein paar Jahre und bescherte dem Trierer Publikum reichlich musikalische Höhepunkte. Im späteren Verlauf der Ehe krachte es ab und zu, irgendwann machte sich Routine breit, man lebte sich auseinander. Und nun steht möglicherweise die Scheidung an. Drei Mal hat die Stadt den Vertrag des gebürtigen Budapesters verlängert, aktuell läuft er bis Juli 2008. Formal hätten Rat und Kulturdezernat bis Mitte 2007 Zeit, sich zu entscheiden, wie es weiter geht. Aber falls ein Wechsel am Dirigentenpult angestrebt wird, muss ein langwieriges Ausschreibungsverfahren eingeleitet werden, und auch Dénes bräuchte Zeit, sich nach neuen Aufgaben umzutun. So ist schon jetzt die Diskussion über die brisante Personalie unüberhörbar. István Dénes macht keinen Hehl daraus, dass er gerne bleiben würde. Der kreative Kopf hat noch reichlich Ideen für Trier. Gerade hat er ein großes Orchesterwerk zum Konstantin-Jahr fertig komponiert, seine "Treveris-Fantasia" über Texte von Ausonius. Er könnte schon jetzt Konzertpläne über Jahre hinaus konstruieren, und da ist auch noch sein ferner Wunschtraum: Die Weiterentwicklung von St. Maximin zu einem "echten Konzertsaal für die Region", mit verbesserter Akustik und komfortableren Bedingungen für die Zuschauer. Dann könnten die Philharmoniker auch endlich raus aus den "katastrophalen Zuständen" im viel zu kleinen Probensaal des Theaters. Dénes' Wunschtraum: Ein Konzertsaal für Trier

Vorschläge dieser Art sind typisch für den Querdenker, Sponti und Optimisten Dénes. Dass dafür der Schulsport in Maximin weichen müsste, ist ihm klar. Aber Hindernisse, denkt Dénes, sind da, um überwunden zu werden. Ob er allerdings jene Hürde überwindet, die einer Weiterbeschäftigung in Trier entgegensteht, ist fraglich. Das Orchester will einen Wechsel an der Spitze. Das war schon vor drei Jahren so, als die Stadt seinen Vertrag dennoch verlängerte. "Nach so vielen Jahren brauchen wir neue Impulse", sagen Ursula Heckmann und Bernd Wege vom Orchestervorstand. Eine Auffassung, die nahezu alle Musiker, mit denen man spricht, bestätigen. Dabei fallen keine unfreundlichen persönlichen Töne gegenüber dem Chef. Heckmann verweist auf den Vergleich mit anderen Klangkörpern, wo Wechsel an der Spitze nach spätestens einem Jahrzehnt der Normalfall sind. Eine "künstlerische und programmatische Erneuerung im Kreativ-Bereich" sei "unerlässlich", ergänzt Wege, und verweist darauf, dass auch das Publikum "einfach mal neue Perspektiven braucht". Man habe doch "wirklich fast alles gespielt in den letzten Jahren", entgegnet István Dénes, der aber auch einräumt, in der Kommunikation mit dem Orchester sei er nicht fehlerfrei: "Ich habe am Anfang gedacht, allein gutes Dirigieren reicht". Dass ihn manche Beobachter aber auch für die derzeitige Schwäche des Musiktheaters verantwortlich machen, will István Dénes nicht akzeptieren. Seine Kompetenzen bei der Spielplanung seien begrenzt, auf die Auswahl der Regisseure habe er keinen Einfluss, "ich kann Ihnen gerne meinen Vertrag zeigen". Für Musiktheater nur bedingt zuständig

Dabei wäre er jederzeit bereit, weiter gehende Aufgaben zu übernehmen. Aber seit er einmal auf eigene Faust versucht hat, einen Regisseur zu verhindern, den er für unzumutbar hielt, scheint auch das Verhältnis zu Intendant Gerhard Weber etwas angeknackst. Stolz verweist der Dirigent auf den "Riesenaufschwung" bei den Jugend- und Schülerprojekten der Philharmoniker, die dem Theater neue Zuschauer beschert haben. Ein Stolz, den auch das Orchester teilt. Nur dass der Vorstand den Erfolg weniger dem Dirigenten zurechnet als "den vielen Eigeninitiativen der Musiker".

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