Wucht und Wandlung

LUXEMBURG. Große Momente: Die Londoner Band Archive hat sich vom Trip Hop zum progressiven Rock hin entwickelt. Beim Auftritt im Luxemburger Atelier hieß das: lange, anspruchsvolle Stücke voller Düsterheit, Kraft und Sehnsucht.

So richtig Coca-Cola-bekannt ist Trip-Hop ja nun nicht, okay. Sonst würden einzelne Kollegen nicht fragen, ob man sich nicht verschrieben hätte. Ob man nicht Hip-Hop meinen würde. Oder Tri-Top, die Zucker-Plörre aus Kindertagen. Nun ist die Musikrichtung der 90er - langsam, Frauenstimme, Hip-Hop-ähnliche Rhythmik - in der Tat fast vergessen. Wären am Sonntag und Montag nicht gleich zwei frühere Trip-Hop-Größen in der Region aufgetreten. Erst Hooverphonic (der TV berichtete), dann Archive. Beide im "Atelier". Beide vor vollem Haus. Und dennoch sind beide kaum zu vergleichen.Denn keiner von beiden macht heute wirklich noch Trip-Hop, auch wenn sich das frühere Image immer noch mitschleppt. Während sich Hooverphonic dem gediegenen Pop zugewandt haben, sind die Londoner von Archive nun im Rock zu Hause. Progressiv-Rock nennen das manche, weil die Stücke schon mal über zehn Minuten dauern. Weil Archive manchmal klingen wie eine jüngere Antwort auf Pink Floyd. Vielleicht noch verschrobener, düsterer. Und weil Prog-Rock - Bombast, Dynamik, Pathos, Virtuosität - gerade eine Renaissance feiert.

Archive auf der Bühne: Sieben Männer, dunkel gekleidet, sechs davon in Anzügen, die Sänger wechseln sich ab. Gelegentlich singt auch die androgyne Maria Q., die eine neue Klangfarbe reinbringt. Sie trägt riesige Kreolen, die man sonst eher an den Ohren von 15-jährigen Vorstadt-Teenies erwarten würde. Es ist das einzige, was stilistisch ein bisschen fragwürdig daher kommt.

Der Rest stimmt. Der Aufbau, die Dynamik. Einige kürzere Stücke wie das fast mitsing-taugliche "Fuck U". Für die größten Momente des Konzerts sorgt "Again", ein 16-Minuten-Stück, das sich nach ruhigem Beginn monumental steigert: Gänsehaut-erzeugend, klaustrophobisch, faszinierend. Es gipfelt im herausgeschrieenen: "Without your love, it's tearing me apart." Dazu Gitarrenwände, Synthesizer, verfremdete Klänge. Ein echtes Meisterwerk!

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