Zwei begnadete Geschichtenerzähler

TRIER. Einen Liederabend, der seinem Motto alle Ehre machte, erlebten 150 Zuhörer auf der Katholischen Akademie. "Im wunderschönen Monat Mai" setzten der Trierer Kammerchor, der Tenor Helmut Wildhaber und sein Klavierbegleiter Christoph Traxler stimmungsvolle Frühlings-Akzente – und die von sanftem Sonnenlicht umflutete Trierer City-Silhouette gab’s gratis dazu.

Der Abend war dankenswerterweise zwei im Mozart-Rummel fast untergegangenen Jubilaren gewidmet: Bei Heinrich Heine und Robert Schumann ist im Jahr 2006 des 150. Todestages zu gedenken. Ihre Wege haben sich mehrfach gekreuzt, nicht nur beim berühmten Zyklus "Dichterliebe", dessen Interpretation im Mittelpunkt des Konzerts stand.Kammerchor: Feine Schattierungen

Doch zuvor widmete sich der Kammerchor unter Leitung von Manfred May fünf Heine-Chorliedern. Wie gänzlich unterschiedlich Mendelssohn-Bartholdy, Bruckner, Silcher und Ehlert die Heine'sche Melancholie in Töne packen, arbeiteten die 22 Sängerinnen und Sänger sorgfältig in feinen Schattierungen heraus. Besonders beeindruckend: die filigran mit Dynamik und Tempo spielende, Klischees meidende, nach dem letzten Ton noch lange nachhallende "Loreley". Der für Liedgesang in Trier außergewöhnlich gute Besuch galt fraglos den Gästen aus Wien. Helmut Wildhabers und Christoph Traxlers "Dichterliebe" wirkte zunächst fast beiläufig, ja spröde in dem akustisch sperrigen Saal. Doch was im ersten Moment gewöhnungsbedürftig schien, entpuppte sich mit zunehmender Zeit als sehr genaue, eng am Text angelegte, auf Manierismen verzichtende Auseinandersetzung mit dem Liederzyklus. Wildhaber arbeitete die Zwiespältigkeit, das "Bittersüße" am Werk von Schumann und Heine meisterhaft heraus, wobei ihm seine Fähigkeit zugute kam, Doppel-Deutigkeiten zu artikulieren, verborgene Gefühlsschichten erlebbar zu machen, ohne sich dabei auf die Rolle des intellektuellen Analytikers zu reduzieren.Zu Höchstleistungen motiviert

Vollends in ihrem Element waren Sänger und Pianist nach der Pause, bei den balladesken Liedern "Die beiden Grenadiere" und "Belsat- zar". Da erwiesen sich Wildhaber und Traxler gleichermaßen als begnadete, Spannung verbreitende Geschichtenerzähler. Wildhabers stimmliche Souveränität, die vorbildliche Endungs-Kultur und die zunehmende Emphase begeisterten nicht nur das Publikum, sondern motivierten auch den Kammerchor zu Höchstleistungen - vor allem beim beseelten Rückert-Sommerlied und dem vorwärts treibenden, atmosphärisch dichten "Zigeunerleben" nach einem Text von Emanuel Geibel. Dafür gab es sogar ein Da Capo, bei den Zugaben gekoppelt mit einer wunderschönen Schumann-Heine'schen "Lotusblume", bei der Helmut Wildhaber zum Abschluss des Abends noch einmal ganz neue, zarthelle Stimmfarben kreierte.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort