Zwischen Einsamkeit und Sehnsucht nach Nähe

Trier · "Ein Neues Stück" heißt schlicht die jüngste Produktion der Sparte Tanz beim Theater Trier. Urs Dietrich greift dabei als Choreograph die brandaktuelle und ewig neue alte Frage auf: Wie verhält es sich mit dem Ort des Menschen, seiner Stellung dort und seinen Bezügen zu seinen Mitmenschen?

Zwischen Einsamkeit und Sehnsucht nach Nähe
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 Choreograph Urs Dietrich. Foto: Theater

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Trier. "Der Mensch macht Krieg, obwohl er Frieden will." Was Immanuel Kant vor 300 Jahren befand, ist dieser Tage aktueller denn je. Kein Wunder, dass sein zeitgenössischer Kollege, der amerikanische Philosoph Thomas Nagel, resigniert. Es sei eine Illusion anzunehmen, dass ethische Grundsätze die Welt verbessern und von zwischenmenschlichen Konflikten befreien könnten, glaubt der vielleicht pessimistischste aller lebenden Philosophen. Einen eher skeptischen Blick auf die menschliche Gemeinschaft hat auch Urs Dietrich. Die Situation des Menschen in der Welt ist seit langem das zentrale Thema des Tänzers und Choreographen. Auch in seiner ersten Produktion für das Theater Trier "Ein Neues Stück", das am Samstag in Trier Premiere hat, geht es um Machtstreben, Angst Verstörung und Einsamkeit, denen die ewig menschliche Sehnsucht nach Geborgenheit, Nähe und friedlichem Miteinander entgegenstehen.
"Man braucht gar nicht erst in die weite Welt zu schauen", sagt der in Berlin lebende Künstler. "Die Gewalt kommt immer näher an uns heran. Man muss nur morgens das Radio anschalten." Wie in allen Tanzstücken des gebürtigen Schweizers fließt auch in die aktuelle Produktion eigene Befindlichkeit und Betroffenheit ein. Wie sein Ein-Mann-Stück "Thalamus", mit dem sich Dietrich in Trier unlängst vorstellte, ist auch "Ein Neues Stück" kein Handlungsballett, sondern eher ein getanztes Psychogramm, das gleichermaßen das Individuum wie seine Bezüge zur Gesellschaft zur Diskussion stellt.
"Ich stelle alles infrage", sagt Dietrich. Seit drei Monaten probt das Ensemble mit seinen zwölf Tänzern an der - so viel sei verraten - anspruchsvollen Choreographie. Die nicht zuletzt auch auf die Rolle der Natur eingeht. Womit sie eine lange geistesgeschichtliche Tradition fortführt. "Natur ist schließlich alles", sagt der feingliedrige Mann mit dem stillen Gesicht. "Auch wir sind als Menschen ein Teil davon." Und dann kommt er noch einmal auf die Macht und ihre Mechanismen zurück, die sich gleichermaßen in den großen gesellschaftlichen Bezügen darstellen wie in den individuellen privaten. "Macht wird festgehalten", sagt der Künstler nachdenklich. Es gehe in zwischenmenschlichen Beziehungen daher immer darum, Macht und Ohnmacht auszubalancieren, selbst dort, wo Liebe im Spiel sei. Einmal mehr erwartet das Trierer Theaterpublikum eine Produktion, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt und ganz nah an der Gesellschaft ist.
Premiere ist am Samstag, 28. Mai, um 19.30 Uhr im Großen Haus; die weiteren geplanten Termine von "Ein Neues Stück": 29. Mai, 8., 14., 21., 26. und 30. Juni sowie am 8. Juli.

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