Brutal, kindisch und voller Sehnsucht

Wittlich · Die Münchner Gruppe Gefilte Fish ist beim Mosel Musikfestival in Wittlich aufgetreten. Vor mehr als 200 Zuhörern spielten sie jüdische Liebeslieder. In der Pause gab es gefilte Fish.

 Andrea Giani von Gefilte Fish singt von Sehnsucht und Liebe, aber auch vom Leid des jüdischen Volkes. TV-Foto: Alexander Schumitz

Andrea Giani von Gefilte Fish singt von Sehnsucht und Liebe, aber auch vom Leid des jüdischen Volkes. TV-Foto: Alexander Schumitz

Wittlich. Traditionell sind gefilte Fish Karpfen, die, mit ihrer Fleischmasse wieder gefüllt, gegart wurden und anschließend mit ihrem Kochsud übergossen werden. Manchmal sind es auch nur Fischklöße, die Juden - oft als Vorspeise - am Sabbat essen. Beiden Gerichten gemeinsam ist, dass sie kalt gegessen werden - und dass es so viele Rezepte wie Köchinnen gibt.
Probieren ließ sich das Essen während der Pause des Konzerts der Formation Gefilte Fish in Wittlich. Gefilte Fish - das sind Andrea Giani (Gesang), Joe Rappaport (Violine), Roman Chowdhury (Gitarre), Tobias Schwartz (Kontrabass) und Vlad Cojocaru (Akkordeon). Die fünf Musiker spielen traditionelle jüdische Lieder, die sie neu arrangieren. Oft haben sie die Noten und Texte selbst auf Flohmärkten gefunden.
Mit ihrer Altstimme erzählt Andrea Giani von Sehnsucht und Liebe. Manchmal brutal, wie in dem nach der Vertreibung der Juden aus Spanien (1492) entstandenem Lied "Cuando veo hija hermoza", in dem der Sänger glaubt, dass kein hübsches Mädchen ihm wiederstehen könne. Ein anderes Mal mit kindlichem Gemüt. Wie in dem Liebeslied eines kleinen Mädchens, das seiner Mutter von einem Fiedler mit schwarzen Augen vorschwärmt und das die ganze Welt umarmen möchte, wenn es ihn hört. Ein anderes Mal voller Sehnsucht, weil die Sängerin noch mal den Satz hören will, dass sie geliebt wird. Gianis Stimme trägt vielschichtige Melodien der Liebe in die Wittlicher Synagoge, "ein Raum, der wie für diese Musik geschaffen ist", sagt Joe Rappaport.
Wo man das Glück findet


Giani erinnert mit ihren Liedern auch an das Leid des jüdischen Volkes, etwa während der Pogrome in den 1880er Jahren in Polen und Russland; aber auch an deutsche Komponisten wie Friedrich Hollaender (1896- 1976), der die Filmmusik zu "Der blaue Engel" (1930, mit Marlene Dietrich in der Hauptrolle, die mit einigen Liedtexten von Hollaender zu Weltruhm kam) geschrieben hat und der vor den Nationalsozialisten zunächst nach Paris, später in die Vereinigten Staaten floh.
Die Frage des jüdischen Komponisten und Sängers Benzion Witlers, "wo man ein ein bisschen Glück findet", beantworten die Zuhörer nach zweieinhalb Stunden mit viel Applaus eindeutig: Mit Gefilte Fish in der Wittlicher Synagoge. itz

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael Bolton Vom erwischt werden
Aus dem Ressort