Ö, wie ist das schön!

Trier · Er singt wie kein Zweiter - das muss man bei Herbert Grönemeyer noch nicht unbedingt als Kompliment werten: Sein Auftritt in der ausverkauften Rockhal Esch hat aber bewiesen, warum der 56-Jährige immer noch der wohl größte Popstar Deutschlands ist.

 Herbert grönemeyert in der Rockhal. Foto: Tageblatt/Alain Rischard

Herbert grönemeyert in der Rockhal. Foto: Tageblatt/Alain Rischard

Trier. Mittags in der Volksfreund-Kantine. Drei Kollegen, die sonst privat eher kein Grönemeyer-T-Shirt spazieren führen würden und "Mainstream" für eine gefährliche Tröpfcheninfektion halten, diskutieren über Herbert. A. hebt an: "Hm, sein Soundtrack zum Kinofilm ,The American\' vor zwei Jahren, der war richtig gut." B. erinnert sich: "Ich habe eine spannende CD, auf der Grönemeyer singt - auf Peter Hammills Rock-Oper ,The Fall of the House of Usher\'. Und er spielt im Joy-Division-Film ,Control\' mit." Und C. berichtet: "Ich hatte mindestens die ersten drei Alben von ihm als Jugendlicher. Fand ich damals super."
Herbert Grönemeyer, inzwischen 56, hat sich als einer der wenigen deutschen Superstars immer seine Nischen bewahrt. Auch mit seinem Plattenlabel Grönland beweist er immer wieder Geschmack. Zugleich hat der größte Sohn Bochums aber ein untrügliches Gespür dafür, den Fans exakt das zu bieten, was sie erwarten, ohne dass er zum ewigen Selbstzitat wird. Wie das geht? Man muss sich nur in der seit Wochen ausverkauften Rockhal Esch umschauen: Bei den allermeisten unter den gut 6000 Zuschauern - mehrheitlich Ü 40 - dreht Grönemeyer am großen Gefühlsrad: Schon das halbkryptische "Schiffsverkehr" schickt sie auf die Reise. Die "Dämonen sind versenkt", versichert er darin. Es gebe kein Damals mehr. Das heißt wohl: Die alten Wunden sind verarztet und verheilt, die Narben aber bleiben.
Das spürt man, wenn er nach früh ins Programm gesetzten Klassikern wie "Musik, nur wenn sie laut ist", "Bochum" oder das kehlig in die Menge geraunzte "Männer" allein am Keyboard "Der Weg" anstimmt: So andächtig und still dürfte es bei einem ausverkauften Rockhal-Konzert noch nie gewesen sein. Grönemeyer verarbeitet darin den Tod seiner im November 1998 an Brustkrebs verstorbenen Frau Anna. Auf den Videoleinwänden: Grönemeyers Gesicht in Großaufnahme, Trauer in den Augen.
Zu viel Melancholie kann die Stimmung schnell runterreißen - Käpt\'n Grönemeyer steuert sogleich musikalisch und textlich dagegen an: Mit der Anti-Nazi-Nummer "Die Härte", bei der sich Grönemeyers langjährige Bandkollegen im Offbeat austoben können. Grönemeyer präsentiert sich als sympathischer Entertainer: Er versucht sich tapfer an französischen Ansagen und bemüht regionale Vergleiche: "Bochum, du bist keine Weltstadt - nicht wie Luxemburg". Auch wenn Esch-sur-Alzette, Heimat der Rockhal, selbst lange das Mini-Bochum des Ländchens war.
Er kommt in den braunen Baggy Pants und in weißen Sneakern nicht eben staatstragend rüber und wirkt eher spontan als gelangweilt-routiniert. Grönemeyer und Band punkten beim Luxemburger Publikum vor allem mit der Tankerladung voller Hits und Zugaben - zweieinhalb Stunden lang spielen sich die Musiker durch über 30 Jahre Bandgeschichte. Selbst alte Hits wie "Männer" oder "Alkohol" kommen textlich dank der ironischen Distanz noch ziemlich unpeinlich rüber. Es war ja auch nicht alles Westernhagen in den 80ern.

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