Lebenslügen, amüsant und bewegend

Wittlich · Das Buch "Der Vorleser", in dem es um eine Analphabetin geht, die sich als KZ-Aufseherin schuldig gemacht hat, ist der größte Erfolg von Bernhard Schlink. Im Rahmen des Eifel-Literaturfestivals hat der 68-Jährige aus seinem Werk "Sommerlügen" gelesen.

 Bernhard Schlink liest in Wittlich aus seinem Buch „Sommerlügen“. TV-Foto: Nora John

Bernhard Schlink liest in Wittlich aus seinem Buch „Sommerlügen“. TV-Foto: Nora John

Wittlich. "Bernhard Schlink ist eines der scheuesten Rehe, auf die sie stoßen können." Mit diesen Worten stellte der Organisator des Eifel-Literaturfestivals, Josef Zierden, den Autor des Weltbestsellers "Der Vorleser" im Atrium des Cusanusgymnasiums in Wittlich vor. Zierden freute sich, dass Schlink die Eifel durch seinen Besuch adelte. Das freute auch das Publikum. Und so war es mucksmäuschenstill, als Schlink aus seinem Buch "Sommerlügen" vorlas.
Treffen mit der Jugendliebe


Gewählt hatte er die letzte Geschichte des Buches. Mal amüsant, oft bewegend und vor allem spannend war die Erzählung von der alten Dame, die sich von ihren Kindern entfremdet hat und auf einer Reise mit ihrer Enkelin ihre Jugendliebe wiedertrifft. Durch diese Begegnung muss sie ihre eigenen Lebenslügen erkennen. In klarer, deutlicher Sprache, ohne übertriebene Theatralik las Schlink, der in Berlin und New York lebt, die Geschichte vor.
Nach der rund einstündigen Lesung gab es Gelegenheit, dem Autor Fragen zu stellen. Zierden eröffnete die Runde. Wie Schlink zu den Themen Lügen und Selbsttäuschung käme, wollte er wissen. Doch eine präzise Antwort gab es nicht. "Ich weiß es nicht", meinte Schlink. Vielleicht, weil er älter geworden sei und auf sein Leben zurückschaue. Auch Freunde und Weggefährten würden ihn inspirieren. Schreiben könne er nur über Dinge, die er selbst kenne, und über Teile der Gesellschaft, die ihm vertraut seien. Autobiografisch sei das aber nicht.
Ein Herr aus dem Publikum wollte wissen, ob nach den drei Büchern über den Privatdetektiv Selb mit einem vierten Band zu rechnen sei. "Das lässt sich nicht ausschließen", meinte Schlink zur Freude des Publikums.
Über die Verfilmung seines größten Erfolgs "Der Vorleser" mit Kate Winslet als Hauptdarstellerin und Steven Daldry als Regisseur äußerte sich Schlink sehr zufrieden. Nach der Lesung nahm sich Schlink noch viel Zeit, um seine Bücher zu signieren und Fragen zu beantworten.Extra

Bernhard Schlink. Herr Schlink, wie schaffen Sie es neben Ihrem Beruf als Jurist, Bücher zu schreiben? Schlink: Ich schreibe, wann immer ich Zeit finde. Ich bin immer bei meinen Geschichten. Wenn man sich mit etwas beschäftigt, dann denkt es weiter, selbst, wenn man schläft oder etwas ganz anderes macht. Sehen Sie sich heute mehr als Jurist oder mehr als Autor? Schlink: Die Gewichte haben sich verschoben. Anfangs sah ich mich als Jurist, der auch geschrieben hat. Dann sah ich mich als beides gleichermaßen. Und jetzt unterrichte ich nur noch wenig und sehe mich eher als der Schriftsteller, der auch Jurist ist. Es heißt, dass Sie eher selten zu Lesungen gehen. Was reizt Sie am Eifel-Literaturfestival in Wittlich, was ja im Vergleich zu Berlin oder New York doch eher Provinz ist? Schlink: Also zum einen mag ich die deutsche Provinz. Ich komme aus Heidelberg - auch Provinz und eine Lebenswelt, die mir vertraut ist und in der ich mich wohlfühle. Zum anderen war ich noch nie in der Eifel. Ich dachte, ich könnte das Festival mit ein paar Tagen in der Eifel verbinden. Das klappt nun leider nicht. Aber die Fahrt mit dem Zug von Koblenz nach Wittlich war wunderschön und ich bin sicher, ich komme wieder. noj

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