Amüsiert und zornig

WITTLICH. Wittlichs Stadtpatron Sankt Rochus hat am heutigen Montag, 16. August, Namenstag. Dem früheren Bürgermeister und Ehrenbürger Matthias Joseph Mehs ist es zu verdanken, dass sich die Wittlicher des Heiligen Rochus erinnerten und ihn 1931 zum Patron der Stadtkirmes machten.

Mehs hat seinen Mitbürgern den Heiligen Rochus als Erinnerung an eine schwere Zeit in der Geschichte der Stadt und als Sinnbild des christlichen Glaubens der Vorfahren nahe gebracht. Seit über 350 Jahren schaut St. Rochus hoch oben aus der Nische im Rathausgiebel auf seine Schutzbefohlenen hinunter. "Milde und gütig" habe er herabgeschaut, sagte schreibt Mehs in seinem "Wittlicher Lesebuch". Ob das so richtig ist? Ob er immer "milde und gütig" geschaut hat bei dem, was er von oben alles gesehen, gehört und erlebt hat? Ziemlich hilflos muss er bei dem großen Stadtbrand im Jahr 1707 geschaut haben, dem auch die Pfarrkirche St. Markus zum Opfer fiel. Zornig hat er sicherlich auch geschaut, als unsere Großväter 1914 auf der Reichsstraße von Koblenz nach Trier, die über den Wittlicher Marktplatz führte, auf dem Weg in den Krieg nach Frankreich freudig riefen: "Jeder Schuss, ein Franzus!"Versteck auf dem Speicher

Auch die Schandtaten der Wittlicher in der so genannten Reichskristallnacht haben ihn bestimmt böse blicken lassen. Gefreut haben mag er sich über die erste Postkutsche auf dem Weg von Trier nach Koblenz im Jahr 1726, als an der Posthalterei Wittlich am Marktplatz (heute Haus Freckmann) die Pferde gewechselt wurden. Was muss er sich geärgert haben, als die Wittlicher ihn in der Zeit um 1880/85 aus seiner Nische heraus holten und ihn auf dem Rathausspeicher versteckten. Amüsiert hat er sicherlich beobachtet, wie sich im Mai 1781 Kaiser Joseph II. aus Wien nach seiner Übernachtung im Hotel "Zum Wolft" (Well) vor dem Haus von der Wirtin und deren Tochter mit einem herzhaften Kuss verabschiedete. Bittere Tränen hat St. Rochus wohl vergossen, dass er die Zerstörung der Stadt durch die tödlichen Bomben an Heiligabend 1944 und am 8. Januar 1945 nicht abwenden konnte. Was muss er empfunden haben, als am 10. März 1945 plötzlich schwer bewaffnete amerikanische Soldaten vor ihm auf dem Markplatz standen, die dann am 12. Juli 1945 der französischen Armee (32. Groupe d'Artillerie) die Stadt überließen?Vom Blumengruß und dem Kirmeswetter

Bestimmt hat der geschmunzelt, als die französische Besatzungsmacht durch den "Trikolore-Befehl" von den Wittlichern verlangte, ihre blau-weiß-rote Fahne zu grüßen. Die hatten sie mitten auf dem Marktplatz in einem zugeschütteten Bombentrichter aufgestellt. Die Wittlicher ließen ihre Hüte und Mützen zu Hause, um sie nicht vor der Trikolore abnehmen zu müssen. Köstlich amüsiert muss er beobachtet haben, wie junge Wittlicher Männer in der Silvesternacht 1946 trotz Bewachung den Franzosen vor dem Kasernentor Klausener Weg eine Kanone stahlen und sie unter der Trikolore auf dem Marktplatz aufstellten. Das hat die Franzosen sehr gewurmt. Als Heiliger der katholischen Kirche hat es ihm bestimmt immer gefallen, wenn die katholischen Christen jährlich zum Fronleichnamsfest einen Altar zu seinen Füßen errichteten. Sicherlich war er nicht zufrieden mit den Wittlichern, als sie am 20. April 1939 mit einer großen Militärparade und großem Jubel den 50. Geburtstag des Führers auf dem Marktplatz feierten. Gefreut hat er sich aber bestimmt, wenn fröhliche Menschen sich auf dem Marktplatz versammelten, ob beim "Wil-Komm 2000", zur Karnevalszeit oder zur Säubrennerkirmes, wenn er von der Feuerwehr einen Blumengruß erhält. Dann sorgt er sicherlich für schönes Kirmeswetter; die Wittlicher bitten ihn jedenfalls ganz herzlich darum: "Lieber guter Sankt Rochus, herzlichen Glückwunsch zum Namenstag!"

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