Besuch in pulsierender Metropole

WITTLICH. Fast 300 Gäste und eine gewonnene Ballonfahrt: Das Neujahrskonzert des Blasorchesters war in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich. Konzertante Musik, teilweise aus der neuesten Literatur, dominierte das Programm.

Natürlich dürfen auch Märsche und Polkas nicht fehlen, wenn ein zünftiges Blasorchester auf der Bühne steht. Neben aller erwünschter Originalität - wer junge Menschen für eine Mitarbeit gewinnen will, muss ein offenes Ohr für moderne Musik haben - gehört zur Aufgabe solcher Orchester immer auch die Pflege von traditionellem Liedgut. Wittlichs Musikern gelang am Wochenende zweifellos die elegante Verknüpfung beider Anliegen. Nach einem gewaltigen Beginn mit dem 1996 von Jacob de Haan komponierten "Ross Roy" und einem englischen Marsch wurde es rasch filigraner. Hat man schon einmal einen Querschnitt jüdischen Liedgutes von deutschen Bläsern präsentiert bekommen? Oder, was völlig aus dem Rahmen fiel, das "Pavane pour Bowine" des Niederländers Kees Vlak, der mit diesem Stück die Faszination ausdrückt, die ihn als frisch gebackenen Großvater ereilte: Weiche Klaviersoli im Wechsel mit einem ebenfalls ungewöhnlich zart antwortenden Orchester, das sein Potenzial an Lautstärke und Klangvolumen dezent zurückhielt. An den Tasten überraschte Flötistin Ruth Schuch. Klavierbaumeister Wolfgang Knoop hatte ihr das Instrument kostenfrei für diesen Abend zur Verfügung gestellt. Ein gutes Händchen bewies Dirigent Ralf Bernardy mit den ausgewählten Werken, die, wie er versichert, immer das Ergebnis eines demokratischen Prozesses seien. Er mache zwar die Vorschläge, aber wenn ein Stück der Mehrheit nicht gefalle, habe er kein Problem damit, es aus den Proben herauszuwerfen. Hohes Level nach dreimonatiger Probenarbeit

Für sein Neujahrskonzert hatte das Orchester lediglich drei Monate geprobt: ein Beweis für das hohe Level, auf dem in Wittlich musiziert wird. Das Solo von Mareike Boor, einer der jüngsten Aktiven, darf als weiterer Beweis dafür gelten. Die Qualität der Musik ist das Eine, eine unterhaltsame Präsentation das Andere. Diesen Part übernahm wie immer Hermann Barth, bewährter Alt-Saxofonist seiner Kapelle. Seine informativen Moderationen trugen sehr zum Verständnis des Gehörten bei. Die manchmal deftigen Witze, für die Barth das ganze Jahr über recherchiert, sorgten für unverhohlene Heiterkeit. Das wohl anspruchsvollste Stück des Konzertes erwartete die Zuhörer mit der bestechend heiteren "New York Ouvertüre", die einen Besuch dieser pulsierenden Metropole beschreibt. Die Freude der Musikanten war auch für den nicht eingeweihten Gast spürbar, als sie dieses schwierige Werk ohne Patzer bewältigt hatten. Die Freude der Zuhörer brach sich Bahn in anhaltendem Applaus, der auch während der Zugaben am Ende nicht abriss. Mit zwei Polkas von Johann Strauß' Sohn, dem Radetzky-Marsch aus der Feder seines Vaters und dem "Happy New Year" von Abba entließ das Blasorchester seine Zuhörer mit dem richtigen Rhythmus in den Beinen - und im Herzen. Sabine Frentzer freute sich über eine vom Hotel Lindenhof gestiftete Ballonfahrt, die sie beim nächsten Ballonfahrer-Meeting einlösen darf. Eine ungewöhnliche Versteigerungsaktion via Internet war diesem Gewinn vorausgegangen: Geld, das komplett der Jugendarbeit zugute kommt, wie Vereinsvorsitzender Rainer Becker versprach.

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