Das Wie der Malerei

BRAUNEBERG. (lm) Unter dem Motto "Dialog 4" stellt das Brauneberger Kloster in seinen Räumen Werke von Chen Yanlong und Theresa Chiao aus. Die zahlreich zur Vernissage erschienenen Zuschauer erlebten mit Live-Musik und einer kalligrafischen Demonstration fernöstliche Atmosphäre hautnah.

Wer sich dem Malen und Zeichnen verschrieben hat, weiß, was er dazu braucht: einen Pinsel, Farben, Untergrund, aber dann kann's auch schon losgehen mit dem Selbstverwirklichen. Nicht so bei Theresa Chiao. Die in China geborene Künstlerin begann ihre Karriere mit der traditionellen chinesischen Malerei, interessierte sich aber auch schon früh für das europäische Pendant und gelangte schließlich über Taiwan nach Europa, wo sie in Bonn und Trier chinesische Kalligrafie unterrichtete. Jetzt liegt vor der freundlich lächelnden alten Dame eine ganze Armada von Pinseln - kleine, große, wuchtige, filigrane, die einen aus Hirsch- und Wieselhaar, andere aus Vogelfedern, daneben stehen Lackschälchen, Töpfchen und diverse Schachteln, ein Kasten mit Tuschetuben und viele Bögen pergamentweißen Papiers. Chiao berührt immer wieder ihre Utensilien, streicht das Papier glatt, sammelt sich. Damit die länglichen Bahnen beim Malen nicht zusammenrollen, werden sie oben und unten mit zwei Schmucksteinen beschwert, die die chinesischen Symbole für Ruhe tragen. Und spätestens jetzt wird auch dem letzten der 50 Zuschauer klar, dass es sich bei der Malerei in China um ein höchst meditatives Ereignis handelt.Dankeschön für Pfarrer Ehses

Professor Chiao, Begründer der sinologischen Fakultät Trier, bestätigt denn auch in seinem einführenden Vortrag, dass die chinesische Kunst einen starken spirituellen Symbolcharakter vermittelt. Das gilt in größerem Maße sogar noch für die Kalligrafie, die Kunst des schönen Schreibens, deren Ansehen in China das der Malerei als Kunstform übertrifft. Wer kennt sie nicht, die chinesischen Zeichen, die zwar keiner zu übersetzen versteht, die aber fast jeder Europäer als künstlerische Darstellung empfindet? Wo wir Westeuropäer fragen: Was will uns dieses Symbol sagen, fragen die Chinesen vielmehr: Wie will es uns etwas sagen. Die Pinsel der Kalligrafen sind so zart, dass sie für ein geübtes Auge selbst das leiseste Zittern der Hand verraten. Und so wurde zu bestimmten Zeiten am Hofe der chinesischen Kaiser von der Pinselführung eines Menschen auf seinen Charakter geschlossen, was erheblichen Einfluss auf die politische und gesellschaftliche Karriere haben konnte. Theresa Chiao und ihr in China lebender Künstlerkollege Chen Yanlong versuchen in ihren Bildern die Kalligrafie mit der Malerei Chinas zu vereinen, einen Dialog zwischen beiden Kunstformen einzugehen. Die Schriftzeichen spiegeln dabei die Stimmung des dargestellten malerischen Elements. Zustande gekommen ist die Ausstellung auf Bitten von Chiao, die die Werke von Chen Yanlong gern einer breiteren westlichen Öffentlichkeit zugängig machen würde. Den Bitten angenommen hat sich Chiaos ehemaliger Brauneberger Schüler Dieter Füllkrug zusammen mit deutschen und chinesischen Freunden. So gab die Musikerin Chen Jia Zhi zur Eröffnung eine Kostprobe klassischer chinesischer Musik auf der Pipa, der chinesischen Mandoline, die die andächtig lauschenden Zuhörer trotz Fremdartigkeit mühelos zu Bambushainen und Lotusteichen "entführte". Für Klosterhausherr Pfarrer Ehses gab es als Dank das von Chiao gemalte Schriftzeichen für die Ewigkeit. Ein großzügiges Geschenk, auch wenn westlichen Betrachtern das Wie des Bildes ein ewiges Rätsel bleibt.

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