Der lange Weg nach Klausen

KRÖV. Gemeinsam sind sie 274 Jahre alt. Die drei ältesten Wallfahrer von Kröv teilen auf ihrem langen Lebensweg so manche wichtige Erfahrung. Der TV hat sie bei ihrer diesjährigen Pilgerfahrt nach Klausen begleitet.

Einmal im Jahr als Wallfahrer nach Klausen zu kommen, war ihnen immer wichtig. Dabei ist es auch geblieben, als die inzwischen eine Renaissance erlebende Pilgertradition im letzten Viertel des vergangenen Jahrhunderts ein wenig aus der Mode kam.Mit Fünf zum ersten Mal in der Wallfahrtskirche

Johann Römer und Karl Löwen sind jeweils 91 Jahre alt; Peter Bechtel wird in zwei Monaten 93. Die älteste Erinnerung an eine Klausen-Wallfahrt hat Löwen: "Ich muss damals etwa fünf Jahre alt gewesen sein." Unterbrochen wurde diese Sitte eigentlich nur in den Kriegsjahren. Damals wurden sie alle drei am selben Tag eingezogen: Am 4. Dezember 1940 ging es nach Idar-Oberstein. Zwei mussten nach Russland, einer nach Italien.Doch von früher sprechen sie eigentlich nur, wenn man sie gezielt danach fragt. Zu sehr nehmen sie alle noch am Leben teil. Löwen prostet mit einem Glas Bier seinem Freund Bechtel zu, der einen "Schuss" trinkt. Römer wählt in Klausen lieber eine Cola. "Der Abwechslung wegen", erklärt er.Zuhause hat man immer Wein, da darf es zur Feier des Tages mal etwas anderes sein. Römer und Löwen waren Winzer, echte Rackerer, woran Charlie Feichtinger, ein um Jahrzehnte jüngerer Kröver Wallfahrer, sie gerne erinnert. Der bis heute quirlige Peter Bechtel arbeitet noch täglich in seiner Änderungsschneiderei, zu viel zu niedrigen Preisen, einfach, damit er Abwechslung und andere Menschen um die Ohren hat.Vor seinem Hobby nimmt jede Hausfrau Reißaus: Am liebsten näht er Reißverschlüsse ein! Auch die beiden anderen haben Wege aus der Einsamkeit gefunden.Löwen lebt mit seiner Tochter zusammen, Römer hat vor 16 Jahren zum dritten Mal geheiratet. "Mit 75 hat er's nochmal riskiert", sagt die aus der Eifel stammende Gattin Elisabeth lachend. Auch Bechtel, Zeit seines Lebens ein leidenschaftlicher Wanderer, wäre einer neuerlichen Verbindung mit dem weiblichen Geschlecht nicht abgeneigt, gibt er flachsend zu. Wobei er sehr konkrete Vorstellungen hätte.Immer wieder im August geht das Trio auf Reise

Ganz früher pilgerten die Kröver an Christi Himmelfahrt nach Klausen; inzwischen hat man das Ganze auf den August verlegt. Noch immer gibt es einige Unermüdliche, die die geschätzten 25 Kilometer komplett laufen. Die meisten jedoch fahren heute mit dem Bus oder dem eigenen Auto. Unsere drei betagten Wallfahrer rufen sich die komplizierten Varianten der Vergangenheit ins Gedächtnis: Bis Mülheim etwa sei man mit der Bahn gefahren und dann den Berg hinauf nach Eberhardsklausen gegangen; dann auf dem Rückweg bis zum Bahnhof Salmrohr wieder zu Fuß, bis Ürzig mit dem Zug, den Rest auf Schusters Rappen."Bis nächstes Jahr, Karl!" und "Bis nächstes Jahr, Peter!", verabschiedet man sich schon traditionell und guter Dinge, obwohl jeder weiß, dass es das letzte Mal gewesen sein kann. Keiner hat ein Rezept, warum wohl gerade er ein so gesegnetes Alter erreichen durfte - Diät muss übrigens keiner der alten Freunde halten. Vielleicht hat der Herrgott sie vergessen. Jedenfalls sei es ganz allein ihm zu verdanken und nicht irgendwelchen Rezepten aus Menschenhand, da sind sie sich einig.Kurz vor der nachmittäglichen Andacht schaut der Pastor am Tisch seiner Über-90-Jährigen vorbei und fragt augenzwinkernd. "Na, habt ihr der Zeitung auch all eure Nichtsnutzigkeiten von früher erzählt?"

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