Desolat ist noch geschmeichelt

ÜRZIG. 1100 Pfeifen hat die Voltmann-Orgel in der Sankt Maternuskirche zu Ürzig. Gut 1000 dieser Pfeifen haben akuten Sanierungsbedarf. Viele der Pfeifen sind zerfranst, eingesackt und glänzen durch schräge Töne. Eine Prospektpfeife machte sich selbstständig und fiel mit lautem Getöse kurz vor Beginn des Gottesdienstes von der Empore bis in den Altarraum. Verletzt wurde niemand.

"Da haben mir schon die Knie gezittert", schildert Lothar Scheid seine Gefühle, als eine fast anderthalb Meter große Prospektfpfeife Prinzipal über die Brüstung bis nach vorne an den Altar fiel. "Die war wie eine Rakete". Organist Scheid war in Vertretung von Organist Karl-Heinz Simon in Ürzig und verschaffte sich kurz vor Beginn des Gottesdienstes einen Überblick über die noch spielbaren Teile der Orgel. "Man kann es schon fast gar nicht mehr Orgel nennen", bedauert er den desolaten Zustand der Heinrich-Voltmann-Orgel aus dem Jahr 1868. "Diese Orgel zu spielen ist überhaupt eine Katastrophe". In Ürzig steht ein Orgel-Denkmal der besonderen Klasse: Die Klaviatur hat Seltenheitswert, denn einige Tasten im Hauptwerk fehlen oder bleiben beim Orgelspiel hängen. Da das Hauptwerk (oberer Teil) ganz kaputt ist, spielt der Organist fast nur noch mit dem Seitenwerk (unterer Teil). Normalerweise wird das kleine Manual nur für das einleitende Vorspiel benutzt, die eigentliche Orgel ist das Hauptwerk. Einige Pfeifen sind älter als 200 Jahre, von 1100 Pfeifen sind vielleicht noch 100 in Ordnung. Zwei Prospektpfeifen fehlen jetzt, denn eine weitere lockere Pfeife wurde sicherheitshalber ausgebaut. "Kaputt ist fast alles", bedauern Dechant Manfred Müllers, Gemeindereferent Gerhard Kuhlen-Pfaffendorf und Organist Karl-Heinz Simon unisono. In der Ürziger Kirche wurde 1790 eine erste, gebrauchte Orgel mit einem Manual und neun Registern angeschafft. Es folgte anno 1849 eine Restaurierung durch den Trierer Orgelbauer Breidenfeld und 1867 eine weitere, unter Verwendung brauchbarer Teile. Die guten Zinnpfeifen wurden im Ersten Weltkrieg eingeschmolzen, die heutigen Zinkpfeifen, ein Magazinbalg und ein Motor kamen 1927 neu hinzu. Den letzten Umbau erhielt die Orgel in den siebziger Jahren. "Der Zustand der Metallpfeifen ist nicht gut: Die großteils wertvollen historischen Pfeifen sind zerdrückt, an den Mündungen ausgerissen, mit Klebeband primitiv geflickt; Bärte sind angelötet worden", schreibt Josef Still, Domorganist und Orgelsachverständiger des Bistums Trier anlässlich seiner Prüfung der Orgel im März 1998. Ein Stimmen der Pfeifen sei wegen des desolaten Zustands eine Fehlinvestition, findet Müllers. Die Mechanik hat durch die jahrhundertelange Nutzung gelitten, die Manualrechen sind ausgeschlagen, die Ventilfedern sind ausgeleiert, und die Belederung ist undicht. Mittlerweile hat die Orgel auf der Westempore nicht nur akustische Mängel. Spätestens mit dem Absturz der Pfeife aus dem neugotischen Prospekt ist es auch eine Frage der Sicherheit. "Die Ürziger haben in armen Zeiten ein so wertvolles Instrument angeschafft, und wir können es in einer guten Zeit nicht erhalten", beklagt Müllers. Die Orgel muss komplett ausgebaut und von Grund auf restauriert werden. "Gut 100 000 Euro brauchen wir", sagt Kuhlen-Pfaffendorf, "gut 30 000 Euro haben wir, es ist noch ein weiter Weg". Wer helfen will, kann auf das Konto der katholischen Kirchengemeinde Ürzig, Kontonummer 67 56 992 bei der VR Bank, Bankleitzahl 570 698 06, überweisen. Auch der Erlös des bei den örtlichen Geschäften und beim Verkehrsamt erhältlichen "Erzer Deppekauka", das Ürziger Kochbuch mit vielen alten, neuen und wieder entdeckten Rezepten, ist für die Renovierung der Heinrich-Voltmann-Orgel in Ürzig bestimmt.

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