Die Krise als Chance

PRÜM/BERNKASTEL-WITTLICH. Die Strukturen des Einzelhandels im ländlichen Raum sind einem massiven Wandlungsprozess ausgesetzt. Bei einem Forum der Industrie- und Handelskammer (IHK) Trier diskutierten am Donnerstagabend Experten über Problemlagen und Lösungsmöglichkeiten.

Wie kann angesichts der demographischen Entwicklung eine angemessene Nahversorgung im ländlichen Raum gesichert werden? Welche Strategien fördern den Einzelhandel in Klein- und Mittelzentren? Um diese Fragen ging es bei einem Forum der IHK Trier im Prümer Konvikt. Um es vorwegzunehmen: Die Lage ist ernst, aber nicht aussichtslos. Prüms Verbandsgemeinde-Bürgermeister Aloysius Söhngen sprach eingangs von "Lebensart und Lebenskultur". Diese gehörten in die Zentren der Orte, was gleichwohl längst keine Selbstverständlichkeit mehr sei. Söhngen: "Jeder muss seine eigene Strategie finden." Mit dieser These befand er sich in guter Gesellschaft. Auch Ulrich Petschow vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung in Berlin mahnte die zunehmende Filialisierung an. In einer Studie haben die Berliner Wirtschaftsexperten herausgefunden, dass die Zunahme von Discountern "Konzentrationsprozesse im Einzelhandel" bedeuten. Zudem hätten sich die Einkaufswege in den vergangenen 20 Jahren in etwa verdoppelt. Vor dem Hintergrund des demographischen Faktors forderte Petschow die Einbindung der Politik. Nachbarschaftsläden müssten gefördert, Mobilitätkonzepte entwickelt werden. Die Krise müsse schlicht als Chance verstanden werden. Von "beklemmenden Tendenzen" sprach indes TV-Redakteur Marcus Hormes, der die Diskussionsrunde moderierte. Das gab Michael Karutz die Gelegenheit, die Zuhörer zu bitten, den Kopf nicht in den Sand zu stecken. Karutz, Experte bei der Kölner Stadtmarketinggesellschaft Cima, knöpfte sich derweil nämlich das Thema "Strategien und Steuerungsmöglichkeiten vor. Trotz milieuübergreifender Preisorientierung (Champagner bei Aldi) gehe der Trend zur Marke. Doch wie auch immer: "Die Luft wird dünner", sagte Karutz und kritisierte die Masse der "Abfangjäger" wie an der Sarresdorfer Straße in Gerolstein. Nach den Worten von Michael Karutz ist es deshalb wichtig, "dass auch die grüne Wiese unter Druck kommt". Nur Unternehmen mit Profil könnten überleben. Prüms Stadtbürgermeisterin Mathilde Weinandy stellte dem entgegen, dass die Städte schließlich selbst in der Lage seien, die Dinge zu steuern. Als Beispiel nannte sie den ehemaligen Bahnhofskomplex in Prüm. Dem Trend zum Discounter könne man sich gleichwohl nicht widersetzen. "Weinandy: "Die Frage ist, was eine Stadt zulässt." Matthias Schmitt, bei der IHK zuständig für Standortpolitik, Handel und Verkehr, ging auf die positiven Stadtmarketingprozesse in der Region ein. Zudem dürfe nicht die Tatsache vernachlässigt werden, dass es ein gutes Kundenpotenzial im touristischen Bereich gebe. Schmitt: "Wir haben es durchaus mit dicken Brettern zu tun." Deshalb sei es wichtig, ein Leerstandsmanagement auf die Beine zu stellen, zudem Events zu starten und auf klug dekorierte Schaufenster zu achten. Da war Schmitt bei Christine Kausen an der richtigen Adresse. Die neue Chefin der Prümer Gewerbe- und Marketinginitiative stellte die abteistädtischen Bemühungen vor, indem sie die Einzelhandelsstudie und das neue Jahreszeitenkonzept zur Sprache brachte. "Wir möchten eine familienfreundliche Stadt werden", erklärte Christine Kausen. Zudem sei es an der Zeit, eine bessere Verkehrsführung zu erhalten, den Kundenservice zu erhöhen und sich von der "Geiz-ist-geil-Mentalität" zu verabschieden.

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