"Du stellst die Weichen"

ECKFELD. Markus Stolz steckte mitten in der Ausbildung zum Elektroinstallateur. Auf dem Heimweg von der Arbeit prallte sein Wagen mit einem Bus zusammen. Seitdem ist er halbseitig gelähmt. Nun hat der 26-Jährige seinen Führerschein gemacht: Wie er annimmt, einer der teuersten im Land.

Nein, hängen lässt Markus Stolz sich nicht. Nach seinem Autounfall bei Niedermanderscheid im Juli 1997 hat ihn ein hartes Schicksal ereilt: Nach einer abenteuerlichen Reanimation lag er drei Monate im Koma. Im Bundeswehrkrankenhaus haben die Ärzte ihn zusammengeflickt, wenn sie seinen Eltern auch keine große Hoffnung machten, dass Markus je wieder zu sich kommen würde, geschweige denn, noch einmal ein halbwegs normales Leben führen könne.Dass es ein wenig anders kam, hat mit dem inneren Strickmuster dieses jungen Mannes zu tun. Er sitzt am Tisch in seinem eigenen Haus, in der Hand eine Tasse Kaffee, die das Logo des FC Bayern München schmückt, und zitiert zwei Zeilen aus seinem Lieblingslied: "Jeder kann zaubern, sein Ziel erreichen, du musst es nur wollen: Du stellst die Weichen!" Halbseitig gelähmt ist Markus seit seinem Unfall.Manche Freundschaften von früher sind zerbrochen, einige - deutlich weniger - bestehen noch, die allerdings auf festem Fundament gegründet. Er biss sich tapfer durch, trainiert eifrig und hält sich diszipliniert an jeden Therapieplan. Wenigstens finanziell ist er abgesichert: Die Berufsgenossenschaft hat seinen Unfall anerkannt.Dennoch sind Träume geblieben. Einer, der zunächst unerfüllbar schien, war der von einem neuen Führerschein. Im Weg stand zunächst das linke Auge, das auch durch seinen Unfall gelitten hatte. Nystagmus heißt die Krankheit, die er hat. Markus beschreibt es als ein unkontrollierbares Augenzittern. Zahlreiche Augenärzte wollten ihn überzeugen, seinen Wunsch an den Nagel zu hängen. "Keine Chance", hätten sie gesagt. Bis er selbst überlegte, wie die durch den Nystagmus auftretende Sehstörung soweit behebbar sei, dass Spezialisten in der Uniklinik Gießen ihm das O.K. gaben. Er ließ sich eine Spezialbrille anfertigen.Nun will er ein Buch schreiben

Im Sommer 2001 war die erste Hürde genommen, der junge Eckfelder begann mit den Fahrstunden. Sein Fahrlehrer schätzte: "Mit etwa 50 Fahrstunden müssen Sie schon rechnen." Dann wurden es 60 und 70, pro Stunde in seinem Fall für 45 Euro. Auch die zahlte seine Genossenschaft. Die Zeit zog sich dahin, immer wieder unterbrochen durch Reha-Maßnahmen, aber auch durch eigene Reisen.Dann, im März 2003, wurde endlich die lang ersehnte Prüfung angesetzt. "Wolfgang Port war der Prüfer, der Bürgermeister von Bernkastel", erinnert er sich. Der habe nach der Fahrt bedauernd den Kopf geschüttelt: "Das kann ich nicht verantworten." Zu unruhig sei er noch gefahren. Also weitere Fahrstunden, um Sicherheit zu finden beim Führen eines Autos. Nächster Termin war der 6. Juni. Am 5. Juni brach Markus sich ein Bein. Wieder ein Aufenthalt im Krankenhaus, wieder eine Reha. Nachdem ein weiterer in Aussicht gestellter Prüfungstermin noch vor Weihnachten geplatzt war, wurde es im Januar ernst. Wieder saß Wolfgang Port im Wagen. "Und dieses Mal hab ich es endlich geschafft!", freut sich der junge Mann, der im Februar seinen 27. Geburtstag feiern wird. Ein Auto hat er noch nicht, er ist sich auch noch nicht schlüssig über das Modell. Immerhin muss es zehn Jahre halten. Was zu seinem Glück noch fehlt, ist das Buch, das er schreiben möchte. Via Fernstudium versucht er gerade, seine Fähigkeiten im Schreiben zu verbessern. Markus Stolz ist davon überzeugt, dass sein Schicksal einigen Leuten Mut machen kann. Und wie er so sagt, glaubt ihm jeder unbesehen, dass er auch diesen neuen Traum verwirklichen wird. Deutlich klingt das "Du musst es nur wollen: Du stellst die Weichen!" noch im Ohr.

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