Ein Jahr in der Fremde

Lesya ist bereits fertige Biologielehrerin, Oksana diplomierte Physikerin. Beide haben in der Ukraine schon im ambulanten Bereich mit Behinderten gearbeitet. Jetzt leisten sie ein Freiwilliges Soziales Jahr in Maria Grünewald.

 Oksana und Lesya (rechts) verbringen ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Behinderteneinrichtung Maria Grünewald. TV-Foto: Petra Geisbüsch

Oksana und Lesya (rechts) verbringen ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Behinderteneinrichtung Maria Grünewald. TV-Foto: Petra Geisbüsch

Wittlich. Einerseits sind sie Quereinsteigerinnen. Andererseits war das Leben mit Behinderten für die jungen Ukrainerinnen Lesya Homenyuk, 23, und Oksana Oleksyn, 25, auch nicht eben unbekanntes Terrain. "Wir haben im ambulanten Bereich schon mit körperlich Behinderten gearbeitet", berichtet Lesya, die mit einer guten Freundin, die im Rollstuhl sitzt, schon ein Zeltlager gemacht hat. "Das geht alles", sagt sie, "man muss halt überall anpacken." Das Zuhause der Mädchen ist die 200 000-Einwohner-Stadt Iwano-Frankiwsk in Galizien, manchen vielleicht besser bekannt als Stanislau. Beide haben dort studiert, Oksana Physik, Lesya Biologie, beide kennen sich aus dem dortigen Malteser Hilfsdienst, beide haben sich zu einem Freiwilligen Sozialen Jahr in Deutschland entschlossen.Oksanas Eltern unterstützten diese Idee. "Sie finden es gut, wenn ich fremde Länder und Kulturen kennen lerne." Anders bei Lesya: Die Mama wollte nicht, dass sie wegfährt, und der Abschied von der Oma fand unter Tränen statt. Seit dem vergangenen Sommer arbeiten die Mädchen nun in Maria Grünewald, Oksana im Schichtdienst in einer Wohngruppe, Lesya in einer Fünf-Tage-Woche in der Tagesförderstätte. Dabei sind sie fest integriert in den Wochenablauf ihrer Arbeitsstellen und nehmen verpflichtend an allen Teamkonferenzen teil.Maria Grünewald gibt ihnen 300 Euro Taschengeld, viel Geld in der Ukraine. Dieser Betrag ist identisch mit dem Lohn aller Vorpraktikanten. Darüber hinaus zahlt die Einrichtung ihnen Lohnsteuer und Sozialabgaben und lässt sie kostenfrei im Personalhaus wohnen. "Es ist keine Einbahnstraße, sondern ein ausgeglichenes Nehmen und Geben", berichtet Anna Endes, Leiterin von Maria Grünewald.Der Kampf mit der deutschen Sprache

Sie ist glücklich mit den jungen Frauen, obwohl die fast ohne Sprachkenntnisse in Grünewald begonnen hatten. Oksana, die wenigstens das verwandte Englisch spricht, tat sich leichter, Lesya kämpft noch immer mit den Vokabeln. Sie haben das sprachliche Defizit durch erhöhte Aufmerksamkeit ausgeglichen, so Endres, und sie lernen weiter, fast jeden Abend. Das begleitende Sprachprogramm des Bistums Trier war zu mager für Lesya und Oksana, deren Muttersprache so gar nichts mit dem Deutschen zu tun hat. Selbst die Buchstaben waren neu: Ukrainisch bedient sich kyrillischer Schriftzeichen.Heimweh kennen die beiden, aber besonders schlimm sei es nicht gewesen. Am griechisch-katholischen Weihnachtsfest (6. Januar) waren sie zuhause. Aber ein paar Dinge möchten sie noch sehen, bevor es zurückgeht: Oksana will nach Taizé, Lesya nach Rom. Köln und Trier kennen sie schon, beide Städte haben ihnen gut gefallen. Ob sie das in Wittlich Erlernte in der Ukraine einsetzen können? "Ziemlich unwahrscheinlich", meint Oksana, die sich stattdessen irgendeinen Job suchen wird: In der Heimat existieren keine Wohnheime; Behinderte leben meist mehr schlecht als recht bei ihren Familien zuhause. Auf Wohngruppen mit Meerschweinchen, Kaninchen oder gar mit einem Therapiehund wie hier in der TAF, darauf wird man in der Heimat noch lange warten müssen. Lesya wird wohl weiter bei den Maltesern arbeiten und sich von dort aus eine neue Arbeitsstelle suchen. Vielleicht beginnt sie auch wieder zu studieren, Physiotherapie zum Beispiel, das würde ihr gefallen.

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