Ein grober Seitenhieb wäre fatal

STARKENBURG. 250 Meter hoch über der Mosel dreht sich derzeit alles um das alte Trabener Bahnhofsgebäude. In Starkenburg hat Thomas Wendhut seine Bildhauer- und Steinmetzwerkstatt eingerichtet, und dort rekonstruiert und bearbeitet er nach alten Aufnahmen rund 20 Holzteile. Sie sollen in das 1904 entstandene Gebäude, das gegenwärtig komplett restauriert und umgebaut wird, eingefügt werden.

 Das Wappen vom Trabener Bahnhofsgebäude wird zurzeit von den Bildhauern und Steinmetzen Wolfgang und Thomas Wendhut neu geschnitzt. Das Original aus dem Jahr 1902 ist bröselig wie Kork und ließ sich nicht mehr restaurieren. Foto: Gerda Knorrn-Belitz

Das Wappen vom Trabener Bahnhofsgebäude wird zurzeit von den Bildhauern und Steinmetzen Wolfgang und Thomas Wendhut neu geschnitzt. Das Original aus dem Jahr 1902 ist bröselig wie Kork und ließ sich nicht mehr restaurieren. Foto: Gerda Knorrn-Belitz

Vater Wolfgang Wendhut, ebenfalls Bildhauer und Steinmetz, geht dem Filius zur Hand. Mit seinen 73 Jahren gehört er noch lange nicht zum alten Eisen. Es juckt ihm in den Fingern, und da Wendhut auch noch die hohe Kunst des Schnitzens beherrscht, liegt es nahe, dass er diese Kenntnisse an seinen 28-jährigen Sohn weitergibt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Mit Schnitzeisen und Klöpfeln aus Buchenholz sind die beiden den Balken aus heimischer Eiche auf die Jahresringe gerückt und haben schöne Ornamente in das Holz gearbeitet. Wenige morsche originale Holzreste und alte Fotografien gibt es noch, auf denen sich Einzelheiten erkennen lassen. Aber nicht für alles stehen Vorlagen zur Verfügung; da ist die Kreativität der beiden Künstler gefragt und einige Ornamente rekonstruieren sie selbst.So viel lässt sich schon jetzt erkennen: Das alte Trabener Bahnhofsgebäude wird einmal ein Schmuckstück des Städtchens. Von den Pfosten an den Eingangsbereichen des Gebäudes bis in luftige Höhen werden die Schnitzarbeiten aus der Wendhut-Werkstatt einen Blickfang bilden. Zurzeit erhalten die Balken den letzten Schliff in der Starkenburger Werkstatt, in der sich einst eine Schmiede und Schlosserei befand. Doch schon in dieser Woche soll mit dem Einbau der ersten Teile begonnen werden. Für Thomas Wendhut ist dies der erste größere Auftrag. Der junge Mann mit dem blonden Pferdeschwanz hat sein Handwerk in Balduinstein erlernt und seine Kenntnisse in Carrara, Florenz und Prag vertieft. In der Gesellenprüfung schnitt er als Bester von ganz Rheinland-Pfalz ab. Das Ergebnis von Fleiß und Freude am Handwerk, aber auch von bildhauerischer Begabung, die bei ihm kräftig durchgeschlagen ist. Manche Schnitzeisen sind über 100 Jahre altGroßvater Bernhard Wendhut war ebenfalls Steinmetz und Bildhauer und der Urgroßvater arbeitete als Maler von Landschaften und Stadtansichten in Göttingen. Doch nicht nur von Vaters Seite sind die Gene geballt auf Thomas Wendhut übergegangen: Mutter Doris Wendhut ist Bildhauerin und Steinmetzin und hat damit den gleichen Beruf ergriffen, wie zuvor ihr Vater und Großvater. Thomas Wendhut hätte auch in Namibia oder Australien arbeiten können. „Überall werden gute Fachleute gesucht“, weiß der Vater, der natürlich glücklich ist, dass sich sein in Dortmund geborener Sohn für die Mosel entschieden hat. „Das ist schön für mich, sonst wäre mit mir alles gestorben.“ 1997 zog der in Traben-Trarbach geborene Wolfgang Wendhut mit seiner Ehefrau von Dortmund nach Starkenburg. Seinem Sohn hilft er gerne, und stolz zeigt er seine mehr als hundert Schnitzeisen, von denen die Hälfte über 100 Jahre alt ist. Sie sind handgeschmiedet und aus englischem Stahl. Vater und Sohn sind eifrig bei der Sache, doch benötigen sie bei ihrer Arbeit eine ruhige Hand. Ein ganz kleiner Fehlschlag ließe sich noch ausbessern, ein großer Seitenhieb ins Holz hingegen wäre fatal. „Schnitzen ist wie Batterieaufladen“, schwärmt der Vater, „es gibt und bringt Kraft, aber man kann es nicht unter Druck machen, sondern benötigt dazu Ruhe.“ Gemeinsam arbeiten die beiden am stattlichen Wappen, das hoch oben auf dem alten Bahnhofsgebäude seinen Platz hat. Was von unten so klein aussieht, hat einen beachtlichen Umfang,: Es misst 1,40 mal ein Meter. Das alte Wappen lässt sich jedoch nicht mehr restaurieren. Wie Kork bröselt das Holz vom Jugendstil-Schriftzug, dem Bänderornament, dem Pferd und der Grevenburg. Wolfgang Wendhut hat eine Schablone angefertigt und mit Sohn Thomas schnitzt er das Wappen nun komplett neu aus Eichenholz. Das Bänderornament und der Schriftzug sind schon fertig, das Pferd wird sich in der nächsten Woche auf die Hinterbeine stellen. Alles wird in Handarbeit sorgsam gefertigt. Wenn die Schnitzerei fertig ist, wird Wolfgang Wendhut zum Pinsel greifen und mit Spezialfarben die entsprechenden Töne aufbringen. Wer vor 100 Jahren das alte Wappen einstmals fertigte, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Wolfgang Wendhut weiß einen würdigen Platz für das alte Stück: „Es würde gut ins Mittelmosel-Museum passen.“ Noch viel ließe sich berichten aus der Werkstatt in der Lorettastraße, die ein kleiner Ofen ein wenig beheizt. Wenn alle Holzteile und das große Wappen fertig sind und Thomas Wendhut die Schnitzeisen erst einmal aus der Hand legen kann, wird er sich wieder der Grabmalkunst, Brunnenanlagen, Vogeltränken und Garten-Plastiken widmen. An Ideen mangelt es ihm nicht, im Sommer will er vor seiner Werkstatt eine Ausstellungsfläche mit seinen Arbeiten eröffnen. Der Vater kann sich freuen, dass die Wendhut-Werkstatt im idyllischen Starkenburg steht und nicht in Sydney oder Swakopmund.

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