Glücklich über das Kriegsende

PIESPORT/MARING/GROSSLITTGEN. (red) Ende Februar, Anfang März 1945 ging für viele Menschen in der Region Trier der Zweite Weltkrieg zu Ende. Die Amerikaner marschierten ein. Von ihren Erlebnissen vor 60 Jahren berichten heute erneut einige Zeitzeugen.

Im April 1943 wurde ich eingeschult. Mein erstes Kriegserlebnis war der Tod meines 19-jährigen Onkels. Noch heute sehe ich meine Mutter und meine Tante weinend am Küchentisch sitzen. Der Onkel war mit 14 Jahren Vollwaise und von seinen älteren Geschwistern großgezogen worden. Ich begriff damals nicht die Worte: "Gefallen für das Vaterland!" Am 1. März 1945 hatte meine Mädchenklasse Kommunionunterricht in der Sakristei der Katholischen Pfarrkirche St. Martin in Niederemmel. Wir wurden von einer Nonne unterrichtet, die ins Kloster Piesport von Trier aus evakuiert worden war.Beim Bombenangriff im Luftschutzkeller

Während des Unterrichts hörten wir Fluglärm von über dem Moseltal fliegenden Aufklärungsflugzeugen. Vorsichtshalber schickte uns die Schwester so gegen 10 Uhr nach Hause. Eine Wachswarenfabrikantenfamilie aus Trier war bei uns evakuiert, die den ersten Stock im Haus bewohnten. In der Werkstatt meines im Krieg befindlichen Vaters lagerten jede Menge Wachswaren. Meine Familie hatte daher genügend Kerzen, die abends statt elektrischen Lichtes verwendet werden mussten. Nach meiner Rückkehr aus dem Kommunionunterricht nahm ich Wachsreste und ging zu meiner Freundin. Wir schmolzen das Wachs und kühlten die Förmchen am Spülbecken ab. Auf einmal gab es ein Rauschen, das Haus schwankte, Türen rissen aus den Angeln und Fensterscheiben gingen kaputt, und Glas- und Holzsplitter flogen um uns herum. Weinend krochen wir in den Luftschutzkeller, der überfüllt war von Nachbarn und anderen Schutz suchenden Menschen. Es herrschte vollkommene Dunkelheit. Als sich alles aufhellte und man vorsichtig nach draußen schaute, sah man die Zerstörung. Eine dicke Dreckschicht bedeckte die am Haus vorbeiführende Hauptstraße (Provinzialstraße). Nach und nach erfuhren wir, dass der Ortsteil Reinsport einem Bombenteppich teilweise zum Opfer gefallen war. 14 Menschen fanden den Tod. Die Aufklärungsflugzeuge von morgens müssen einen Munitionszug im Visier gehabt haben, der beim Minheimer Bahnhof hielt, um den Abend abzuwarten, um ohne Gefahr weiter fahren zu können. Es war ein Glück für den Ort, dass das Felsmotiv der Moselloreley die bombardierenden Flugzeuge am Anflug hinderte, sonst wäre der ganze Ort vernichtet worden. Experten schätzen die Bombenlöcher in der Mosel, den Wiesen und Weinbergen auf etwa 1000 Einschläge. Am Tag darauf nahm unsere Mutter uns Kinder (zwei, sechs und acht Jahre alt) und fuhr über die Mosel auf die andere Seite. Wir lagerten bis abends im ehemaligen Eisenerzbergwerkstollen mit noch vielen Menschen aus dem Dorf. Abends brachte uns ein Nachen über die Mosel wieder zurück, damit wir zu Hause schlafen konnten. Als wir mit dem Nachen in der Mitte des Flusses waren, kam ein Tiefflieger und beschoss uns Menschen. Schreiend legten wir uns flach ins Boot. Es wurde niemand verletzt. Meine Mutter ging nie mehr mit uns aufs Wasser. Am anderen Tag kochte unsere Mutter das Essen, und ganz früh ging es im Fußmarsch in den Distrikt Jungenkarl. Auch hier befanden sich zwei stillgelegte Schieferstollen. Im obersten Stollen wohnten wir die nächsten Tage. Ein im Genesungsurlaub befindlicher Onkel brachte mit dem Fahrrad alle zwei Tage Lebensmittel von einer Tante, die das elterliche Geschäft meiner verstorbenen Oma übernommen hatte. Nach einigen Tagen durfte ich meine Mutter nach Hause begleiten, die einmal nach dem Rechten sehen wollte. Auf der Heide, ein Flachland auf dem Niederemmeler Berg, kreiste immer wieder ein Flugzeug über unseren Köpfen. Laufend wurde geschossen. Später stellte sich heraus, dass es sich um ein deutsches Flugzeug gehandelt hat, das sich einen Notlandeplatz suchte und vorher Bordwaffen abschoss. In dieser Nacht schliefen wir im Elternhaus meiner Mutter. Meine Tante hatte den Geschäftshaushalt mit Büro und Betten in den Luftschutzkeller verlagert. Nachts hörte man immer noch die Artilleriegeschosse einschlagen. In dieser Nacht wurde auch unser Kirchturm getroffen. Es waren letzte Versuche deutscher Soldaten, den Krieg zu gewinnen. Am anderen Morgen waren die Amerikaner da. Bürger der Gemeinde hatten sie mit weißen Tüchern auf dem Piesporter Berg in Empfang genommen. Genau kann ich mich daran erinnern, dass sich Nachbarn, Evakuierte, Freunde und Verwandte, die sich im Keller aufhielten, lachend und weinend in den Armen lagen und glücklich über das Ende des Krieges waren. Irmgard Meuren aus Piesport ist 68 Jahre alt und hat das Kriegsende als Achtjährige in Niederemmel erlebt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort