Hohes Alter, hoher Besuch

WITTLICH. Der "Herr Pastor" und der "Herr Bürgermeister" werden sie heute besuchen, das steht fest. Denn Josefine Franz feiert ihren 104. Geburtstag. Damit ist die rüstige Dame die älteste Bürgerin Wittlichs.

Sie isst alles, selbst Geling. So sei sie erzogen worden, erzählt Josefine Franz, und sie habe einen wahrhaft gestrengen Vater gehabt. Aber eines mag sie dann doch nicht: Wenn der Spargel nicht richtig weich ist. Die Dame feiert heute einen stolzen Geburtstag: 104 Jahre wird sie alt und hält damit den Rekord der Säubrennerstadt.Jubilarin legt Wert auf ihr Äußeres

Der "Herr Pastor" wird heute kommen und der "Herr Bürgermeister", außerdem viele aus der Familie und aus dem Bekanntenkreis. Das wird aufregend, aber nicht zu viel für Josefine Franz, die bis heute Wert auf ihr Äußeres legt. Bevor sich die lebhafte Dame fotografieren lässt, richtet sie noch einmal ihr Haar und schaut an sich herunter, ob auch alles zum Besten bestellt ist. Sie ist zufrieden, lehnt sich zurück, und lächelt sogar, um imTV gut auszusehen. Den liest sie jeden Morgen, damit beginnt die Lehrerstochter jeden neuen Tag. Zum Lesen trägt sie eine Brille. Und wer sich mit ihr unterhalten möchte, muss ziemlich laut sprechen: Kleine Malaisen, die sie sich in ihrem biblischen Alter leisten kann. Ansonsten fehlt ihr nichts. Nach einem im Jahre 1901 begonnenen Leben, in dem sie viel gearbeitet habe, genieße sie es nun, sich an den gedeckten Tisch zu setzen und sich um nichts mehr kümmern zu müssen. "Das ist auch schön!" Einen ihrer Söhne hat sie bereits überlebt, der andere, Günter, lebt mit Gattin Ingrid vor Ort und besucht sie regelmäßig. Immerhin 95 Jahre alt wurde ihr Mann - Friederich bitte, nicht Fritz. Er durfte im eigenen Bett sterben. Bis zum letzten Atemzug stand sie ihm bei. Angefangen hatte diese Beziehung recht unspektakulär. Die beiden kannten sich aus Kedingen in Lothringen, das beide Familien - die Väter waren Beamte und mussten sich 1919 für ein Leben als Franzosen oder Deutsche entscheiden - nach dem Ersten Weltkrieg verließen. Josefines Eltern, die Kramps, verschlug es über Bausendorf nach Wittlich, die Franzens nach Ehrang zur Eisenbahn, denn der Schwiegervater war Bahnhofsvorsteher. Die alles entscheidende Frage, ob Josefine seine Frau werden wolle, stellte Friedrich 1926 ganz geradeheraus. Sie lief erst einmal nach Hause, fragte die Eltern. Die waren einverstanden. "Er ist Beamter, hat also seine Einkünfte." Sie sagte Ja, und arbeitete von da an nicht mehr bei ihrem Rechtsanwalt "auf'm Büro". Für die Jurisprudenz interessiert sie sich aber immer noch: Jeden Nachmittag um drei Uhr, und wenn die Welt untergeht, schaut sie sich ihre geliebte Gerichts-Sendung an. Das hat sich herumgesprochen bis zu Ralf Dörrenbächer, dem Leiter des Seniorenheims St. Wendelinus, in dem sie seit vier Jahren lebt. Das Wandern habe sie geliebt, erzählt sie, am meisten den Weg zur Heidsmühle, und zwar hin und zurück. "Da hat unsere ganze Familie gesungen wie die Vöglein im Walde zwitschern!" Sonst habe sie sich nicht viel gegönnt. Wie auch? Zeit sei selten übrig gewesen. Der Gatte im Gefängnis beschäftigt, der Haushalt in der Sternbergstraße, die beiden Söhne, und alles ohne Waschmaschine, Trockner und Mikrowelle. Zum Geburtstag ist sie bescheiden - oder doch nicht? Zur Friseurin musste sie noch einmal und neue Festtagskleidung musste her. Ein Wunsch fällt ihr während desTV -Interviews ein: Eine Fahrt zur Heidsmühle wäre toll. Dort sei sie lange nicht mehr gewesen. Na, da wird sich doch noch jemand finden lassen, der ihr diesen Wunsch erfüllt.

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