"In Wittlich ist immer Tag der offenen Tür"

Die Gemeinde der Eyüp-Sultan-Moschee in Wittlich führt einen außerordentlich offenen Dialog mit Behörden und der Polizei. Deshalb besuchten mittlerweile Polizisten aus ganz Rheinland-Pfalz die Pilot-Moschee im Rahmen von Islam-Seminaren.

 Reger Austausch: Der Wittlicher Imam Memet Yeni und Yilmaz Yildiz, Vorsitzender der türkisch-islamischen Gemeinde zu Wittlich, im Dialog mit Polizisten vom Koblenzer Präsidium und der Polizei-Inspektion Wittlich. TV-Foto: Marion Maier

Reger Austausch: Der Wittlicher Imam Memet Yeni und Yilmaz Yildiz, Vorsitzender der türkisch-islamischen Gemeinde zu Wittlich, im Dialog mit Polizisten vom Koblenzer Präsidium und der Polizei-Inspektion Wittlich. TV-Foto: Marion Maier

Wittlich. Barfüßig sitzen rund ein Dutzend Polizeibeamte im Schneidersitz oder auch etwas bequemer an die Wand gelehnt auf dem Teppich im Gebetsraum der Eyüp-Sultan-Moschee in der Wittlicher Schlossstraße. Sie lauschen den Worten des türkischen Imam Memet Yeni. Yilmaz Yildiz, Vorsitzender der türkisch-islamischen Gemeinde, übersetzt die Ausführungen zum Islam. Später stellen die Beamten viele Fragen.An und für sich ist dies ein eher ungewöhnliches Bild, doch in der Eyüp-Sultan-Moschee gehört es schon fast zum Alltag. Diesmal sind es Dienststellenleiter und Bezirksbeamte des Polizeipräsidiums Koblenz, die sich in der Moschee informieren. Vier weitere Polizistengruppen aus den übrigen vier Präsidien von Rheinland-Pfalz, also aus Trier, Mainz, Ludwigshafen und Kaiserslautern, waren bereits vor Ort. Sie alle, insgesamt 90 Leute, besuchten die Moschee im Rahmen eines Grundlagen-Seminars zum Islam an der Landespolizeischule.In Wittlich ist immer Tag der offenen Tür

Von daher klingt es glaubhaft, wenn Yilmaz Yildiz sagt: "Am dritten Oktober ist wieder Tag der offenen Tür in den Moscheen in Deutschland. In Wittlich ist immer Tag der offenen Tür." Nicht nur in Rheinland-Pfalz hat die Eyüp-Sultan-Moschee mit diesem offenen Dialog eine Vorreiterrolle übernommen. Dr. Herbert Fischer-Drumm, evangelischer Pfarrer und Sozialwissenschaftler, der an der Landespolizeischule für Aus- und Fortbildung zuständig ist, sagt: "Bei der vom Innenministerium empfohlenen Zusammenarbeit von Polizei und Muslime liegen wir ziemlich vorne in Deutschland, andere Bundesländer ziehen nun nach."Doch wie kommt es, dass ausgerechnet die kleinste türkisch-staatliche Moschee der Dachorganisation DITIB (zu deutsch: Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) in Rheinland-Pfalz solch eine Pilotfunktion übernimmt? Grund sei die seit vielen Jahren bestehende direkte Nachbarschaft von Polizei-Inspektion und Moschee, heißt es. Und der Umgang der Wittlicher Polizisten mit den Muslimen zeigt: Es ist ein herzliches Miteinander entstanden. Da wird zusammen gescherzt und gelacht. Doch dass die Polizei in Rheinland-Pfalz von den vielen muslimischen Organisationen in Deutschland gerade die DITIB ausgewählt hat, hat noch mehr Gründe. Fischer-Drumm erklärt: "Wir haben eine muslimische Organisation gesucht, die zuverlässig ist." Außerdem lasse die DITIB auch unangenehme Themen zu, so werde beispielsweise über Gewalt in engen sozialen Beziehungen gesprochen oder auch über Drogen.Hintergrund der Zusammenarbeit von Polizei und Muslimen sind laut Fischer-Drumm Probleme mit Jugendlichen. Der Dialog mit den muslimischen Gemeinden solle der Vorbeugung von Straftaten dienen. Fischer-Drumm: "In manchen Revieren liegt der Anteil ausländischer Mitbürger bei 35 Prozent. Da brauchen wir Kulturdolmetscher." Diese würden beim Seminar ausgebildet. Bei der Einstellung würden aber auch immer mehr Leute mit Migrationshintergrund berücksichtigt.Doch bei aller Euphorie ob der guten Zusammenarbeit wird Fischer-Drumm dennoch nicht unkritisch. Er sagt: "Wir dürfen nicht vergessen, dass wir es hier mit patriachalen Strukturen zu tun haben." Generell meint er: "Man darf bei diesem Dialog nicht alles abnicken. Ein Dialog ist nur einer, wenn wir uns auch gegenseitig etwas zumuten können. Mit der DITIB geht das." EXTRA: Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V. (türkisch: DITIB) wurde am 1984 in Köln als bundesweiter Dachverband für die Koordinierung der religiösen, sozialen und kulturellen Tätigkeiten der angeschlossenen türkisch-islamischen Moscheegemeinden gegründet. Der Sitz des Verbandes ist in Köln-Ehrenfeld. Im Gründungsjahr waren 230 Vereine angeschlossen, mittlerweile sind es 880. Die DITIB ist laut eigenen Angaben heute die mitgliederstärkste Migrantenorganisation in der Bundesrepublik Deutschland. Umfragen zufolge vertritt die DITIB demnach mehr als 70 Prozent der in Deutschland lebenden Muslime.

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