Kochen, reiten und kegeln

WITTLICH. Ambulant vor stationär: Dieser Paradigmenwechsel hat längst auch auf Maria Grünewald Einzug gehalten. Offene Angebote ergänzen das bestehende Programm rund um behinderte Menschen.

"Noch vor zehn, 15 Jahren war Maria Grünewald eine relativ geschlossene Angelegenheit." Anna Endres, Leiterin der Einrichtung für Behinderte, hat sämtliche Entwicklungen begleitet. Der Paradigmenwechsel hin zu zunehmend ambulanten Hilfen hat sich auch in ihrem Haus vollzogen. Neben den stationären Wohnheimen existiert inzwischen eine Fülle ambulanter Ergänzungen: Außenwohngruppen in der Trierer Landstraße und in der Rochussiedlung, die Schule für Bewohner und Externe, die Tagesförderstätte TAF, in der ebenfalls Bewohner und Externe gemeinsam ihre Zeit verbringen. Außerdem werden während des Jahres und in den Ferien Kurzzeitmaßnahmen durchgeführt, die den Behinderten ein neues Stück Welt und den Angehörigen eine Zeit der Entspannung ermöglichen. Noch nicht so alt sind so genannte Offene Hilfen wie die ambulanten Betreuungsdienste zuhause. Der schwer behinderte Simon Montag genießt seine Zeit mit Pia, deren Namen er fast auszusprechen gelernt hat, obwohl er bis vor kurzem kein "I" artikulieren konnte. Mal ein Eis essen, mal ins Kino, mal einfach nur spazieren gehen, das regt ihn an und setzt neue Energien frei. Für seine Mutter Jutta war es bitter nötig, nach über 20 Jahren, in denen sie nie eine Hilfestellung zuhause hatte, nun wenigstens fünf Stunden pro Woche eine Fachkraft an ihrer Seite zu wissen, der sie auch mal Fragen stellen kann. "Das ist eine große Entlastung." So kann sie nach vielen Jahren, endlich wieder einen Abendkurs besuchen bei dem sie die eigenen, leeren Batterien auftankt. Pia, die einen Teilzeitvertrag auf Maria Grünewald abgeschlossen hatte, brauchte lediglich den Vertrag um die entsprechende Stundenzahl zu erhöhen. Endres: "Bereichert sind durch diese ambulanten Möglichkeiten tatsächlich alle." Ganz neu sind Freizeitangebote wie der Kochkurs am Montagabend. Heute gibt es Pizza, und rund um den großen Tisch steigt allmählich die Spannung und wächst der Hunger. Besonders Rico drängt es zur "action" in der Küchenzeile. Auf seine Pizza kommt heute eigentlich alles: Pilze, Tomaten, Zwiebeln, Tomatenmark, Paprika, Käse, Salami. "Nur kein Tunfisch!", ruft er, den mag er nicht, ganz anders als Anna, die an seiner Seite schnibbelt. Bald soll es, neben diesem gemischten, einen weiteren Kochkurs geben, zu dem ausschließlich Externe zum Grünewald kommen. Das nächste Frühjahr hält noch mehr Überraschungen bereit: Zum Beispiel einen Lese-Rechtschreib-Kurs, von einer ehemaligen Lehrerin im Ehrenamt geleitet, therapeutisches Reiten auf einem Reiterhof, Kegeln im Hasborner Hotel Thomas. "Alle unsere Veranstaltungen wie die Disco, das Kaffee Kiosk, Film-AG, Zauber- und Fastnachtsshows stehen ja ohnehin den Externen offen", sagt Udo Schultheiß, der Leiter des Bereiches Offene Hilfen. Und weil sie so viel Spaß machen, werden sie auch rege angenommen.

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