Kunst, Knast und Europa

WITTLICH. Kein Geld, kein Gesetz: Justizminister Herbert Mertin sprach bei einem Tagungsbesuch in Wittlich die grundlegenden Probleme des Jugendstrafvollzugs an.

 Stippvisite des Ministers: Herbert Mertin (zweiter v. l.) bei der Tagung der Jugendstrafanstaltsleiter in Wittlich im Gespräch mit Otto Schmid (JSA Wittlich, links) und AG-Leiter Marius Fiedler (dritter v.l.).Foto: Marion Maier

Stippvisite des Ministers: Herbert Mertin (zweiter v. l.) bei der Tagung der Jugendstrafanstaltsleiter in Wittlich im Gespräch mit Otto Schmid (JSA Wittlich, links) und AG-Leiter Marius Fiedler (dritter v.l.).Foto: Marion Maier

Mit einem anschaulichen Vergleich erheiterte Justizminister Herbert Mertin die Jugendstrafanstalts- und Vollstreckungsleiter, die zu einer Tagung aus ganz Deutschland ins Wittlicher Missionshaus St. Paul gekommen waren. Mit dem Vollzug und der Resozialisation sei es wie in dem Film "Und täglich grüßt das Murmeltier".Die Hauptperson in dem Film befindet sich in einer Zeitschleife und erlebt immer wieder und immer genervter das Gleiche. Mertin: "Erst als er sich läutert, kommt er dort wieder raus". Doch eine entscheidende Frage, die der Minister selbst aufwarf, ließ er offen: "Wer ist in Rheinland-Pfalz das Murmeltier?"Mertin sprach jedoch auch ernsthafte Probleme an. "Gerade im Jugendstrafvollzug geht es nicht um Wegsperren, sondern um das Erziehen der Täter." Die Jugendlichen müssten gefordert und gefördert werden und dazu gehörten die schulische und berufliche Ausbildung sowie der Wohngruppenvollzug, in dem sozialer Umgang und Eigenverantwortlichkeit erlernt werden müssten.Jugendkriminalität weniger häufig als befürchtet

"Aber überall haben wir das gleiche Problem: Es fehlt an Geld", sagte Mertin und nannte gleich das nächste Dilemma: "Der Jugendstrafvollzug braucht endlich eine eigene Rechtsgrundlage, damit die Praxis eine verlässliche Grundlage für ihr Handeln erhält." Mit diesen Worten sprach Mertin der tagenden "Arbeitsgemeinschaft der Anstaltsleiter und besonderen Vollstreckungsleiter in der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen e. V." aus dem Herzen.Der AG-Sprecher und Leiter der JSA Berlin, Marius Fiedler erläuterte im Gespräch mit dem TV : "Ich bin seit zwölf Jahren in der AG und seitdem fordern wir die Rechtsgrundlage." Eine Forderung, die auch das Bundesverfassungsgericht schon erhoben habe.Zwar existiere ein Jugendgerichtsgesetz, doch stamme dieses von 1923 und regele so gut wie nichts. Vier Paragrafen gehörten zu dem Gesetz, der Vollzug der Erwachsenen hingegen werde durch 200 Paragrafen definiert. Bislang helfe man sich im Jugendstrafvollzug weiter mit Verwaltungsvorschriften, doch die orientierten sich am Erwachsenenstrafvollzug und ihre Umsetzung sei nicht einklagbar. Fiedler: "Im Vollzug werden immerhin Persönlichkeitsrechte außer Kraft gesetzt, das sollte ein Gesetz regeln." Dass das neue Gesetz bislang nicht auf den Weg kam, erklärt Fiedler damit, dass die Politiker die Festlegung von Standards befürchten, die Geld kosten. 2004 soll im Bundestag ein Gesetzentwurf eingebracht werden.Mit einem Vorurteil räumt Fiedler ganz entschieden auf. "Die Jugendkriminalität stellt nur einen kleinen Anteil an der Gesamtkriminalität." Von 6 Millionen Straftaten, die jährlich in Deutschland bekannt werden, würden 200 000 von Jugendlichen begangen. Der Anteil der zu einer Jugendstrafe verurteilten jungen Leute liege bei etwa einem Promille der Gesamtbevölkerung.Die Tagung in Wittlich, an der 19 JSA-Leiter und 14 als Vollstreckungsleiter fungierende Richter teilnehmen, dauert bis Freitag. Die Teilnehmer beschäftigen sich mit Themen wie "Therapeutische Hilfsmöglichkeiten für Jugendliche mit sexuellen Auffälligkeiten" und "Therapie statt Strafe für Drogenabhängige". Sie sehen sich auch das Wittlicher Gefängnis sowie das Georg-Meistermann-Museum an und statten in Luxemburg dem Europäischen Gerichtshof sowie der JVA Schrassig einen Besuch ab.

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