Mehr Tornados in Zukunft möglich

BERNKASTEL-WITTLICH. Die verheerenden Tornados in den Eifelorten Acht und Schlausenbach sowie die Stürme an der Mosel mit den heftigen Regenfällen sind erst wenige Wochen vorüber. Schon sprechen Wissenschaftler von Wasserknappheit. Wie passt das zusammen, fragte der TV .

Wissenschaftler sprechen von zukünftiger Wasserverknappung. Ist das nicht ein Widerspruch - sommerliche Wasserverknappung einerseits und Starkregen andererseits? Nikolaus Kuhn: In unserer Region werden die Sommer nach Klimamodellrechnungen im Verlauf des 21. Jahrhunderts im Mittel bis zu vier Grad Celsius wärmer. Dies und zurückgehende Sommer-Regenmengen bedingen mehr Verdunstung und geringere Grundwasserneubildung. Die Hitze von 1992 oder 1994 könnte also in Jahrzehnten Standard sein und somit für Wasserknappheit sorgen. Andererseits entstehen verstärkt Stürme. Denn generell ist unser Wetter durch den Austausch warmer, feuchter Tropikluft mit kalter, trockener Polarluft gekennzeichnet. Die erwarteten Veränderungen in der Erdatmosphäre verstärken den natürlichen Gegensatz zwischen diesen Luftmassen und intensivieren die Austauschprozesse in unseren Breiten, so dass zum Beispiel öfters extrem warme Luft auf kühlere prallt. Das kann dazu führen, dass in der Region Trier Regen und Gewitterstürme heftiger werden, wofür die jüngsten Ereignisse ein Indiz sein könnten. In der Eifel hat die Bevölkerung noch vor 20 Jahren bei Unwetternachrichten aus anderen Regionen immer wieder gesagt: Bei uns passiert so etwas nicht. Ist jetzt genau das da, was früher als unmöglich bezeichnet wurde? Waren die Ereignisse in Acht und Schlausenbach echte Tornados, wie man sie bisher aus Nordamerika kannte? Dieter Gerten: Tatsächlich nennen Experten diese Wirbelstürme einen "starken Tornado", mit einer vermuteten Windgeschwindigkeit von über 250 Stundenkilomter. Auch der bei den Ereignissen beobachtete "Schlauch" und die Verwüstungen sprechen dafür, dass es wirklich Tornados waren. Sind solche Wirbelstürme eine für unsere Region neuartige Erscheinung, mit der wir in Zukunft vermehrt zu rechnen haben? Gerten: Neu sind sie nicht. In Deutschland wurden bisher pro Jahr durchschnittlich zehn solcher Wirbelstürme beobachtet (Mitte der 80er Jahre auch in der Eifel), deren Auswirkungen natürlich umso ersichtlicher waren, je eher sie Wohngebiete betrafen. Der bisher folgenreichste trat 1968 in Pforzheim auf. Kuhn: In den USA sind Wirbelstürme dieser Stärke wesentlich häufiger und oft stärker, da dort die geografischen Voraussetzungen für ihre Entstehung günstiger sind. Gerten: Das heißt aber nicht, dass Wirbelstürme in Deutschland grundsätzlich schwächer sind als dort; nur weil sie hier so selten vorkommen, kam es noch nicht zu einem katastrophalen Ereignis. Im Zuge der Klimaerwärmung ist es aber möglich, dass ihre Anzahl in Zukunft etwas zunimmt, womit auch die Wahrscheinlichkeit noch stärkerer Tornados steigt. Besteht damit für die Region Trier Grund zur Panik? Gerten:Nein. Tornados bleiben in unserer Region auch in Zukunft seltene Erscheinungen. Problematischer sind die Orkane im Winterhalbjahr, weil diese häufiger auftreten und größere Gebiete erfassen. Welche Konsequenzen sollten generell zum Schutz vor den sich anbahnenden Folgen des Klimawandels gezogen werden? Kuhn: Es scheint geboten, den Klimawandel bereits jetzt verstärkt in die Planung langfristiger Infrastrukturprojekte einzubeziehen. Es ist zum Beispiel möglich, dass die Stromversorgung in der Region Trier unsicherer wird. Derzeit werden als Folge von Sparmaßnahmen im Rahmen der Öffnung des Strommarktes beim Regionalzentrum Trier der RWE Net AG weitaus weniger Erdleitungen verlegt als noch vor fünf Jahren. Ein hoher Anteil windanfälliger Freileitungen verstärkt den Effekt heftigerer Stürme. Der Klimawandel wird sich durch die Beseitigung der Sturmschäden und die anschließend notwendige Verkabelung doppelt auf die Strompreise auswirken. Was raten die Klimaexperten? Wie soll sich der Einzelne zukünftig verhalten? Gerten: Ein engerer Bezug zur Natur und ihren Warnzeichen ist sicher hilfreich. Wenn ein Unwetter droht, dann Schutzmaßnahmen ergreifen, die Gartenparty abblasen oder das Auto stehen lassen. Dass diese Vorbeugung selbst im großen Rahmen möglich ist, haben uns die Rheinländer 1990 bei der Orkanserie vorgemacht: Sie haben die Umzüge in den Hochburgen des Karnevals abgesagt. Kuhn: Der Effekt von Klimawandel sollte im Straßenbau, der Stromversorgung und der Anlage von Baugebieten berücksichtigt werden, um Störungen und Schäden zu minimieren. Gerten: Jedenfalls zeigen selbst kleinere Naturkatastrophen, dass der Mensch sich weiterhin mit der Natur arrangieren muss - umso mehr, je offensichtlicher der Klimawandel wird. Die Fragen stellte unser Mitarbeiter Erich Gerten.

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