Mit Musik gegen das Vergessen

WITTLICH. (gkl) Durch das dritte Reich hat die deutsche Geschichte eine sehr dunkle Seite erhalten, die auch auf musikalischem Gebiet seine Auswirkungen hat. In einem Konzert erinnerte Kolja Lessing an jüdische Komponisten, die vor den Nazis in ein Exil fliehen mussten.

Sie ist lange her, die Reichspogromnacht des Jahres 1938. Ihr Datum markiert den offiziellen Beginn eines der dunkelsten Kapitel in der deutschen Geschichte. Viel kann man darüber lesen, sehen und hören. Nach wie vor wird an den 9. November erinnert, mit gutem Grund. Mit einem Konzert am Vorabend des 9. Novembers wurde die Erinnerung in der Wittlicher Synagoge wach gehalten. Organisiert vom Emil-Frank-Institut, dem Wittlicher Kulturamt und dem Musikkreis der Stadt Wittlich, gestaltete Kolja Lessing, Professor an der Stuttgarter Musikhochschule einen Abend mit Musik jüdischer Komponisten des 20. Jahrhunderts. Allen Tonschöpfern, deren Werke erklangen, war eines gemeinsam: Ihnen wurde durch die Nazis ihre Heimat genommen, und sie mussten ins Exil gehen. Lessing, der sich auch als Komponist und Musikwissenschaftler einen Namen gemacht hat, ist es ein besonderes Anliegen, Komponisten wie Abel Ehrlich, Franz Reizenstein, Egon Wellesz oder Léon Klepper den Platz in der Musikgeschichte zu sichern, den sie verdient haben. Der Auftritt in Wittlich beinhaltete für Lessing gleich drei Aufgaben. Er war Pianist, Geiger und Moderator. Seine intensiven Nachforschungen über die Künstler, die ihm so am Herzen liegen, ermöglichten ihm, seinem großen Publikum vieles über die Biografien der Komponisten zu erzählen. Lessing ist in der Musikwelt als ein Ausnahmekünstler bekannt, dessen Talente es ihm ermöglichen, die Violine ebenso meisterhaft zu spielen wie den Flügel. Dies stellte er in der alten Synagoge unter Beweis. Ob mit "Ricordo IV" für Violine solo des noch lebenden Werner Wolf Glaser, oder der Violinsonate, Opus 46, von Reizenstein, sein Geigenspiel war geprägt von beeindruckender Reinheit und tiefer Musikalität. Ebenso verhielt es sich mit seinen Klaviervorträgen von Wellesz (Drei Skizzen Opus 6), Berthold Goldschmidt (Variationen, Opus 32) oder Kleppers "Deux danses pour Piano". Hier schränkte lediglich die Qualität des Flügels den Genuss der Musik ein. Wie vielseitig und interessant der Abend war, zeigt allein schon die Tatsache, dass trotz des sehr üppigen Programms von mehr als zweieinhalb Stunden die Aufmerksamkeit der Zuhörer nicht nachließ. Für den langen Applaus bedankte sich Lessing mit einer Uraufführung eines kürzlich aufgefundenen Klavierwerkes von Wladimir Vogel, dessen Biografie natürlich in das Gesamtkonzert passte. Eines wurde mit diesem Konzert sehr deutlich. Durch die Vertreibung der Komponisten, deren Werke hier erklangen, wurde die deutsche Musiklandschaft etlicher bedeutender Künstler beraubt. Auch dies ist etwas, an das man immer erinnern sollte.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort