Nur ein bisschen geschüttelt?

TRIER. Weil er seine Ehefrau vergewaltigt haben soll, muss sich seit gestern ein 58 Jahre alter Mann aus dem Kreis Bernkastel-Wittlich vor dem Trierer Landgericht verantworten. Der Mann bestreitet die sieben Jahre zurückliegende Tat.

Die vierköpfige Dritte Große Strafkammer gibt sich wirklich alle Mühe: Gleich mehrfach und mit Engelszungen reden die beiden hauptamtlichen Richter Armin Hardt und Albrecht Keimburg auf den Angeklagten ein. Wenn da tatsächlich etwas vorgefallen sein sollte im September 1998 in der gemeinsamen Wohnung, dann möge er es doch bitte jetzt gestehen, sagen Hardt und Keimburg schon fast flehentlich. Schließlich sehe es für den 58-Jährigen nach Lage der Dinge nicht gut aus. Und bei einem Geständnis käme er wohl mit einer Bewährungsstrafe davon. Noch einmal wird die Verhandlung für eine Viertelstunde unterbrochen, nimmt Verteidiger Günter Eifel seinen Mandanten ins Gebet. Umsonst. "Ich kann ja nicht nur der Einfachheit halber etwas zugeben, was ich nicht getan habe", sagt der Angeklagte, als es weitergeht. Da nickt auch der Vorsitzende Richter: "Wir wollen kein falsches Geständnis." Die Sache ist verzwickt, wie häufig bei Vergewaltigungsfällen, wo Aussage gegen Aussage steht, es selten Zeugen gibt und vielfach Glaubwürdigkeits-Gutachten am Ende den Ausschlag geben, wie ein Urteil ausfällt. Die Sache ist im konkreten Fall noch verzwickter, weil die angeklagte Tat sieben Jahre zurückliegt und das mutmaßliche Opfer sie erst vor vier Jahren angezeigt hat. Warum nur so spät?"Ich war angewidert von ihr"

Das seit 1971 verheiratete Ehepaar war an jenem Septemberabend zu einer Geburtstagsfeier bei Nachbarn eingeladen. Der Mann ging gegen 2 Uhr nach Hause, ließ die Haustüre nach eigenen Angaben angelehnt, weil seine Ehefrau keinen Schlüssel dabei hatte. Als es um 5 Uhr Sturm klingelte und der zwischenzeitlich auf der Couch eingenickte Mann aufstand und die Tür öffnete, gab es Streit. "Bist ja nur weggegangen, weil mit dir niemand geredet hat", soll ihn die angeblich betrunkene Frau angeblafft haben, sagt der heute 58-Jährige. Und: "Ich war in diesem Moment angewidert von ihr, wie sie aussah mit der verlaufenen Wimperntusche." Er habe sie daraufhin an der Bluse gepackt, "ein bisschen geschüttelt", in ihr Zimmer geschoben und dann aufs Bett geworfen - "das war's". Nicht ganz, jedenfalls wenn man der Anklage von Staatsanwalt Stephane Parent Glauben schenken darf, die auf den Aussagen der Ehefrau basiert. Denn nach dem Wurf aufs Bett soll der Mann seine vier Jahre jüngere Frau vergewaltigt haben. Ein schwerer Vorwurf, den die Frau auch im gestrigen Prozess aufrechterhält, wie im Nachhinein zu hören ist. Um die Frau zu schützen, ist die Öffentlichkeit ausgeschlossen, während sie als Zeugin vernommen wird. Der Angeklagte muss nicht raus. Längst hat für die beiden ein neuer Lebensabschnitt begonnen, auch wenn die von dem Mann eingereichte Scheidung noch läuft. Beide haben inzwischen einen neuen Partner gefunden, die gemeinsame Tochter wohnt irgendwo in Nordrhein-Westfalen. Die Kammer ist um ihre Aufgabe nicht zu beneiden. Am Montag, wenn der Prozess fortgesetzt wird, muss sie entscheiden, wem sie glaubt - sieben Jahre nach dem angeblichen Verbrechen. Wird er verurteilt, muss der 58-Jährige ins Gefängnis.

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