Schock und Angst

Heiligabend 1944 fiel auf einen Sonntag. Die Heilige Messe am Morgen war wegen Voralarms verkürzt worden. An diesem frostkalten, klaren Tag zogen schon früh am Morgen unzählige Bomberverbände über uns hinweg. In unserem Weinberg waren vorsorglich zwei dort befindliche Häuschen hergerichtet.Dort erlebten mein Bruder und ich die Bombardierung Wittlichs mit. Nach dem Mittagessen - wir waren auf dem Weinbergsweg unterwegs -, näherte sich uns in geringer Höhe ein Verband zweimotoriger Bomber. Wir zählten 18 Maschinen, die nach vorheriger Markierung durch einen "Christbaum" die Stadt insgesamt dreimal angriffen.Geschockt und verängstigt kamen wir erst bei Einbruch der Dunkelheit zu Hause an. Auf dem Weg dorthin begegnete uns ein Strom Flüchtender mit Sack und Pack, die nur einen Gedanken hatten: Weg, Weg! Unser Haus war zerstört. Die dort gebliebenen sechs Menschen blieben dank des äußerst stabilen Weinkellers unverletzt.Um die Straße frei zu räumen, war eine Gruppe gefangener amerikanischer Soldaten eingesetzt. Gegen heftigen Widerstand der Kreisleitung der NSDAP (und nicht des Wachpersonals) bekamen sie bei einer Ruhepause zu trinken. Ich erinnere mich eines Disputs zwischen meiner Mutter, die den Nazis nicht "grün" war, und eines "Goldfans". Er: "Das kriegen Sie alles wieder ersetzt." Unsere Mutter wütend: "Das glauben Sie selber nicht." Worauf wir die Mutter schnell beiseite zogen, sonst wäre vielleicht noch Schlimmeres passiert. ZUR PERSON:Helmut Friderichs ist Jahrgang 1932. Der Winzer lebt in Kesten an der Mosel.

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