Technik gegen den Hagel: Flieger oder Netze?

Bernkastel-Kues · Nach den Hagelschäden an der Mittelmosel ist die Diskussion um Hagelabwehrflugzeuge wieder aufgeflammt. Auch Netze gegen Hagelschlag schützen die Reben im Wingert. Mit einem Modellversuch forscht das Steillagenzentrum in Bernkastel-Kues. Weinbauexperten wägen Vor- und Nachteile der verschiedenen Techniken ab.

Bernkastel-Kues. "Alles Gute kommt von oben" lautet ein deutsches Sprichwort. Dem würden auch die Winzer der Mittelmosel zustimmen, kommen doch Sonnenstrahlen und Regen von oben, die die Reben gedeihen lassen. Ausgenommen hingegen Hagel. Den kann der Winzer so gern leiden wie die Reblaus. Wie aber können die Weinbauern ihre Reben vor Hagelschlag schützen? Nach dem Unwetter, das an der Mittelmosel gewütet hat, ist die Diskussion um den Einsatz von Hagelfliegern wieder laut geworden. Auch die Alternative, mit Netzen wie im Obstanbau die Reben zu schützen, steht im Fokus.

Technik des Hagelfliegers: Wilfried Zipse vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Mosel in Bernkastel-Kues erklärt, wie die Technik des Hagelfliegers funktioniert.
Um den Bereich der Mittelmosel mit der Hagelfliegertechnik abzudecken, müssten mindestens zwei Flugzeuge in ständiger Bereitschaft stehen. Flugplätze entlang der Mosel gebe es einige. So sei Föhren ursprünglich einmal als Standort in Erwägung gezogen worden. Der Betrieb eines solchen Flugzeuges nebst Bereitschaftspilot, der zudem firm auf meteorologischem Gebiet sein müsse, koste pro Jahr 140 000 Euro. Mit einem Flugzeug vom Typ Cessna auch weniger.
Mit Informationen von Wetterdiensten und des Radars steuert der Pilot auftretende Gewitterwolken an und verteilt das Silberjodid (Silbersalz). Die Feuchtigkeit in den Wolken kondensiert und geht als "normaler" Niederschlag zu boden. Der Hagel wird so gehindert, sich zu großen Klumpen zusammenzuballen. Die Feuchtigkeit wird also künstlich abgeregnet. Bei den Olympischen Spielen in Peking wurde die Technik eingesetzt, um die Veranstaltung punktuell vor Regengüssen zu schützen.

Meinungen zum Hagelflieger:
Wilfried Zipse (DLR) sagt: "Die Winzer in der Steiermark halten viel davon, denn überall, wo der Hagelflieger zum Einsatz kam, konnten die Schäden verringert werden." Allerdings sei der Wirkungsgrad bisher immer nur wirtschaftlich nachgewiesen worden. Ökonomisch fielen Schäden zwischen 50 und 60 Prozent geringer aus, wenn ein Hagelflieger eingesetzt würde. Eine Schadensabwehrquote von 100 Prozent könne der Hagelflieger nicht leisten.
Nebenwirkungen: "Silberjodid ist ein Stoff, der nicht in die Atmosphäre gehört. Allerdings werden 1,9 Gramm pro Hektar Weinberg ausgebracht. Im Boden ist noch nie etwas davon nachgewiesen worden", sagt Zipse. Und vom Bundesumweltamt sei der Stoff als unbedenklich eingestuft worden.
Jörg Trossen, Kreiswinzerverbandsvorsitzender, sagt: "Ein solches Unwetter, das auf 1000 Quadratmetern Weinberg gewütet hat, wäre auch durch einen Hagelflieger nicht aufzuhalten gewesen." Die Hagelflugzeuge seien, das hätten Einsätze gezeigt, bei lokalen Gewittern effektiv, bei denen Flächen von 30 Hektar bedroht seien. Der Autobauer Daimler in Stuttgart verfahre erfolgreich mit dieser Technik, um den Fuhrpark seiner Neufahrzeuge zu schützen.
Auf der anderen Seite sei die Hagelfliegerei in der Vergangenheit an der Finanzierung gescheitert. "Man müsste auch die Versicherungen mit ins Boot holen, die sich an den Beiträgen für die Finanzierung des Hagelfliegers beteiligen könnten", sagt Trossen. Davon würden die Versicherer profitieren. Ein solches Unterfangen müsse man einfach mal als Pilotprojekt lancieren und über zwei bis drei Jahre testen. "Dann könnten wir Erfahrungswerte sammeln und weitersehen, ob sich der Aufwand lohnt", so Trossen.
Die Position des Umweltministeriums: "Es gibt immer noch ungeklärte Fragen bezüglich der Umweltverträglichkeit des Silberjodids, das die Hagelflieger versprühen. Außerdem liegt der Wirkungsgrad der Hagelfliegerei bei lediglich 50 bis 60 Prozent. Wir setzen da auf andere Pferde, der Hagelflieger ist für uns kein Thema", sagt Frank Frössel vom Ministerium im Mainz.

Technik Hagelnetze:
Das Helixsystem ist ein Kunststoffnetz, das am Heftdraht der Rebstöcke befestigt wird und an den Reben hinuntergespannt wird. Mit einer Kurbel kann das Netz aufgerollt werden, um an den Rebstöcken zu arbeiten. Auch ein Vollernter kann eingenetzte Rebzeilen bearbeiten. Die Traubenzonen werden somit vom Netz geschützt. Nicht nur vor Hagel, sondern auch gegen Wild- und Wespenfraß. Eine landschaftliche Beeinträchtigung verursachen die Netze kaum, sagt Zipse.
Zwischen 16 000 und 20 000 Euro pro Hektar kosten die Netze. Allerdings gebe es noch keine Langzeiterfahrungen mit der Technik, gesteht Zipse. Man könne nicht sagen, ob die Trauben durch das Netz weniger Licht und zu viel Schatten bekommen. Auch ob das Netz die Bildung von Schimmelpilz begünstigt, sei noch unklar. Unsicher sei auch, wie lange die Netzkonstruktionen halten, die ähnlich denen im Obstanbau sind. Laut Hersteller haben die Netze eine Halbwertzeit von bis zu 15 Jahren. Je nach Hagelereignis könnten 80 bis 95 Prozent der Trauben geschützt werden.

Meinungen zu Hagelnetzen
Position des Umweltministeriums: Zwar gebe es für die Hagelnetze keine Subventionen vom Land für die Winzer, trotzdem verweist das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten auf Pilotprojekte des Steillagenzentrums in Bernkastel-Kues. Das Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum betreibt an der Mosel eine Handvoll solcher Testprojekte.
Zipse (DLR) sagt, Hagelkörner in normaler Größe könnten dem Netz nichts anhaben. Derart große Klumpen, wie sie jüngst vom Himmel fielen, waren auch für die Testnetze zu groß. "Ein Großteil des Schadens ist mit den Hagelnetzen vermeidbar", sagt Zipse.
Trossen, selbst Winzer, hatte sich bei den Leiwener Weinbautagen über die Hagelnetze informiert und die Finger von den Netzen gelassen. Gründe: "Abgehalten hat mich, dass es bei den Hagelnetzen schwierig sei, Pflanzenschutzmittel überall wirkungsvoll aufzutragen. Für den qualitativ hochwertigen Weinbau stören die Netze auch bei der Arbeit, die Rebstöcke zu entblättern, da vor allem die Rieslingpflanzen sich stark in den Netzen verranken." Für Trossen gibt es zu viele Nachteile bei der Bewirtschaftung der Rebenzeilen, wenn Hagelnetze genutzt würden. "Da versichere ich mich lieber gegen den Hagel, denn gegen die Größe der letzten Hagelkörner sind diese Netze wenig effektiv", sagt Trossen.

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