Tradition verpflichtet

WITTLICH. Harte Kritik an dem Regierungsentwurf zur Handwerksordnung üben die Handwerker bei ihrer Demonstration auf der Wirtschaftswoche.

Die Gruppe erregt Aufsehen: Viele der Handwerker tragen ihre Arbeitskleidung, auf Transparenten zeigen sie die Absichten ihrer Demonstration. "Ja zum Meisterbrief" ist dabei die Kernaussage. Mehrere Kinder beteiligten sich an der Demonstration und halten Schilder mit der Aufschrift "Wir wollen auch noch ein Handwerk lernen" hoch. Von der Automobilausstellung aus geht es weiter durch die Straße mit den Ausstellungszelten. Als die ersten Demonstranten ein Ausstellungszelt betreten, schreitet Peter Karst, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft ein, das ist keine öffentliche Fläche, hier darf nicht demonstriert werden. Mit bei der Kundgebung sind unter anderem KFZ-Mechaniker, Maurermeister, Friseure, Maler und Lackierer und Zimmerleute. Auch ein ganz kleiner Zimmermann mit Hut und branchentypischer Kordhose lässt sich ermattend vom Papa tragen. Dass eine qualifizierte Ausbildung nur bei einem Meisterbrief möglich sei, wird auch bei der anschließenden Pressekonferenz deutlich. "Das ist schizophren, wenn man die mangelnde Bildung beklagt und gleichzeitig den Meisterbrief abschaffen will", sagt Peter Karst. Er wirft der Regierung vor, Bürokratie abschaffen zu wollen, durch den Aufbau neuer Bürokratien. Fertigkeiten müssen nicht nachgewiesen werden

Er kritisiert den Regierungsentwurf zur Reform der Handwerksordnung scharf. Zum einen nennt Karst das Kleinunternehmergesetz. Demnach könne sich jeder Langzeitarbeitslose mit dem Teilbereich eines Handwerkes selbstständig machen, der innerhalb von drei Monaten erlernbar sei, ohne seine Fertigkeiten nachweisen zu müssen. Karst nennt auch die Nachteile für solche Existenzgründer. "Diese Betriebe unterliegen nicht der Handwerksordnung. Sie haben keine Möglichkeit, sich der Fach-Innung anzuschließen". Damit bestünde auch keine Möglichkeit, zu vertretbaren Konditionen fachliches, rechtliches oder betriebswirtschaftliches Können zu erwerben. Ein weiterer Kritikpunkt liegt für Karst und Hermann Schulze, Obermeister der Kreishandwerkerschaft, in der Möglichkeit, dass Gesellen nach einer zehnjährigen Tätigkeit "durch einfaches Aussitzen" sich selbstständig machen können. Er vergleicht dies mit Hebammen, die sich nach zehn Jahren als Frauenärztinnen niederlassen könnten. Wenn Handwerke, für die ein Meisterbrief notwendig sei, künftig ohne diesen ausgeübt werden könnten, so führe das nach seriösen Schätzungen zu einem Rückgang von zirka 60 000 Lehrstellen, so Karst. Er und Schulze befürchten eine Verzerrung des Wettbewerbs, wenn Einzelpersonen mit Hilfe von staatlicher Unterstützung den Meisterbetrieben Konkurrenz machen. Auch Nachteile für den Kunden macht Karst deutlich. Es sei nicht gewährleistet, dass eine "Ich-AG" die Gewährleistungszeiten überstehe, der Schaden liege dann beim Kunden. Karst räumt auch mit dem Vorurteil auf, dass ein Unternehmer dicke Zigarren rauche, teuren Rotwein trinke und sich freue, wenn er einen Mitarbeiter entlassen könne.

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