Tröstende Worte zwischen Särgen

WITTLICH. In einem Wittlicher Bestattungsunternehmen trägt Hospizhelfer Johannes Münninghoff am Sonntag erstmals seine Gedichte über den Tod und das Sterben vor. Dazu werden Fotografien einer jungen Frau gezeigt, die nach einer Krebsdiagnose selbst in Lebensangst schwebte – und so den Hospizhelfer kennen lernte.

 Geben viel von sich preis: Hospizhelfer Johannes Münninghoff und Fotografin Nadine Stange freuen sich auf ihre erste Ausstellung mit Lesung am Sonntag. Foto: Dagmar Schommer

Geben viel von sich preis: Hospizhelfer Johannes Münninghoff und Fotografin Nadine Stange freuen sich auf ihre erste Ausstellung mit Lesung am Sonntag. Foto: Dagmar Schommer

Die Totenhemden für sich und seine Frau liegen feinsäuberlich im Schrank: "Man muss sich dem Gedanken an die eigene Endlichkeit, stellen", sagt Johannes Münninghoff, der schon als Zivildienstleistender im Altenheim mit dem Thema konfrontiert wurde. Seine demenzkranke Mutter hat der 53-jährige Familienvater bis zu ihrem Tod gepflegt hat. Der Abschied sei ihm sehr schwer gefallen. Schmerzhaft war für ihn, als seine Mutter selbst mitbekam, dass sie ihr Gedächtnis verliert. "Am Ende war sie nur noch ein Körper, der gewaschen, gepflegt und versorgt werden musste", sagt Münninghoff. 2000 starb die Mutter, 1998 machte der Wittlicher eine Schulung zum Hospizhelfer. Von verschlossenen Türen und tierischer Angst

Seither geht er zu Sterbenden ins Krankenhaus, spricht mit ihnen oder ist einfach nur da. "Manchmal ist es nur die Tasse Kaffee, die man den Angehörigen ermöglicht", sagt er bescheiden. Oft war er schon dabei, wenn Sterbende sich irgendwann zur Wand drehen, nur noch auf die Wand starren - und lächeln. "Dieser Moment hat für mich sakramentalen Charakter. Da begegnen die Sterbenden Gott, und alle Angst weicht von ihnen", ist der Hospizhelfer, der sich selbst als religiösen Menschen bezeichnet, überzeugt. Als Hospizhelfer müsse man Nähe zulassen können und "die Menschen mögen". Sein Engagement sei für ihn bereichernd: "Ich lebe bewusster." Obwohl oder gerade weil ihm manches Erlebnis sehr zu Herzen geht. Besonders schwer fiel ihm, hinter dem Sarg eines Mannes zum Friedhof zu gehen, den er nur vier Tage kannte - "und der dennoch in meinen Armen gestorben war". Kein Verwandter, kein Nachbar hätte diesen Platz eingenommen. "Alle haben gewartet, da bin ich vorangegangen." Erlebnisse wie dieses hat er in Gedichten festgehalten. "Und dennoch/Und ich weiß nicht wieso/Liefen Tränen über mein Gesicht" lauten die letzten Zeilen zu dieser Geschichte. "Es ist für mich eine Form der Verarbeitung", sagt Münninghoff. So wie spinnen und weben: "Etwas Unfertiges in die Hand nehmen und verarbeiten." Unter www.johannesspricht.de ist der Wittlicher seit sechs Jahren auch im Internet aktiv. "Bei mir können sich die Menschen auch nachts melden, wenn sie weder Freunde noch Angehörige stören wollen." Über das Internet meldete sich auch eine junge Frau aus Dormagen, nachdem ihr die Ärzte gesagt hatten, dass sie nicht mehr lange zu leben hätte. "Ich war 25 Jahre, hatte Todesangst und war schwanger. Ich habe nach Antworten gesucht", sagt Nadine Stange. Die 28-Jährige bangt inzwischen nicht mehr um ihr Leben. Die entarteten Muttermale stellten sich als Fehldiagnose heraus. Unvergessen bleiben ihr aber die Stunden der Angst - und der Trost des Wittlichers. Besonders berührt war sie von seinem Gedicht "Die Tür", das bei "johannesspricht" zu lesen ist. "Tod ist nicht Abschied/Nur ein Vorausgehen/Durch eine/Uns noch verschlossene Tür" lauten die ersten Zeilen. Worte, die Nadine Stange sofort ansprachen. Die Zeilen noch im Ohr, stand sie ergriffen vor einer zugemauerten Tür - Überreste einer mittelalterlichen Stadt in Dormagen-Zons. "Ja, genau so verschlossen kommt mir dieser Weg vor", schoss es ihr durch den Kopf. Sie sandte dem Wittlicher ein Foto der Tür - der Beginn der Zusammenarbeit von Hospizhelfer und Arzthelferin. "Man könnte sicher bessere Fotografen finden, aber niemand, der meine Gedichte so gut umsetzt", sagt Münninghoff. Außer Frage stand für ihn das gemeinsame Projekt, als sie ein Gedicht bebilderte, das von einem Sterbenden erzählt, der sich inmitten seiner wild gestikulierenden Verwandtschaft vor einem Hund fürchtet. "Der Hund taucht oft bei Sterbenden auf", sagt Münninghoff, der darin die Todesangst symbolisiert sieht. Stange lieferte den Schattenriss einer Hand, der wie der Kopf eines Hundes aussieht.

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