"Viele gehen leichten Herzens"

WITTLICH. Nicht jede Frau ist glücklich, wenn sie schwanger wird. Viele geraten dann in große persönliche Konflikte. Hier setzt die Evangelische Schwangerenberatung in Wittlich an und will helfen.

 Hilde Hammel (rechts) und Christa Meyer von der Evangelischen Diakonie beraten Schwangere in Konfliktsituationen.Foto: Petra Geisbüsch

Hilde Hammel (rechts) und Christa Meyer von der Evangelischen Diakonie beraten Schwangere in Konfliktsituationen.Foto: Petra Geisbüsch

"Es ist eine konkrete, schwierige Lebenssituation, bei der ganz viel, ganz schnell auf den Tisch kommt." Mit diesen Worten beschreibt Hilde Hammel die Besonderheiten bei ihren Beratungsgesprächen. Durch eine Schwangerschaft kämen viele Probleme auf, die sonst nicht so deutlich würden. Das Finanzielle oder Beziehungsschwierigkeiten seien dabei nur zwei häufige Fragenkomplexe. Gegründet wurde die Beratungsstelle des Diakonischen Werks des Kirchenkreises Trier vor drei Jahren. Damals hatte die Katholische Kirche beschlossen, keine Beratungsscheine mehr für Schwangerschaftsabbrüche auszustellen. Die vom Gesetzgeber vorgesehene Pflicht zur Beratung, ohne die es diesen Schein nicht mehr gibt, werde von vielen Frauen zunächst als reine Pflichtberatung gesehen, erzählen die zwei Mitarbeiterinnen. Es gebe vielfach Ängste, vor ein "Tribunal" zu treten, sagt Christa Meyer, Hammels Kollegin bei der Beratungsstelle. "Viele gehen aber leichten Herzens wieder raus", sagen beide. Man nehme die Frauen so an, wie sie seien.Überlegen, was in fünf oder zehn Jahren ist

Es sei auch nicht ihre Aufgabe, die Ratsuchenden in eine bestimmte Richtung zu dirigieren. Für jede Frau versuchten sie Szenarien zu entwickeln, was in fünf oder in zehn Jahren sei, bei dieser oder auch bei jener Entscheidung. Alle Perspektiven und Möglichkeiten sollten dabei betrachtet werden. Im vergangenen Jahr haben die Beraterinnen 92 Frauen, die sich im Konflikt befanden, beraten. Aufgeklärt wird in der Beratungsstelle auch über Rechtsansprüche und über Möglichkeiten, finanzielle Hilfe oder Sachspenden zu bekommen. Manche Frauen würden an andere Beratungsstellen weiter vermittelt, wenn es bei dem Konflikt beispielsweise um Partnerschaftsprobleme oder Schwierigkeiten durch Sucht oder Schulden gehe. Beide Beraterinnen betonen, dass es bei den Ratsuchenden einen großen Querschnitt gebe. "Jede Frau ist zirka 40 Jahre fruchtbar, da ist es wahrscheinlich, dass es irgendwann zu einem Konflikt kommt." Unter den Frauen, die bei ihnen beraten werden, seien ganz junge Mädchen, aber auch ältere Frauen. Dabei würden sich oft eher die jungen Mädchen dazu entscheiden, das Kind auszutragen. "Junge Mädchen wissen über Verhütungsmittel häufig gut Bescheid", sagen Hammel und Meyer. Sie wüssten aber nicht, was mit einem Kind auf sie zukomme. Manche sähen in einem Kind eine Alternative zur Berufsausbildung oder auch einen "Puppenersatz". "Ältere können besser abschätzen, was möglich ist", so die Erfahrung der beiden Beraterinnen. Dass es trotz Verhütungsmittel immer noch häufig zu unerwünschten Schwangerschaften komme, liege vermutlich auch an der falschen Anwendung. Um für die betroffenen Frauen die Hemmschwelle möglichst niedrig zu halten, versuchen Hammel und Meyer, eine persönliche Atmosphäre aufzubauen. Deshalb finden die Gespräche nicht an einem großen Schreibtisch statt, sondern die Frauen setzen sich mit einer Tasse Kaffee oder einem Glas Sprudel an einen kleinen Tisch, um so entspannter reden zu können. Darüber hinaus gelten für die Beratung feste Grundsätze: "Wir sind offen für alle, egal welcher Nationalität oder Religion." Zudem sei die Beratung anonym, und die Mitarbeiter der Beratungsstelle in der Stettiner Straße unterlägen der Schweigepflicht.

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