"Warum seid ihr so furchtsam?"

WITTLICH. Im Plenum bestand Einigkeit, dass es sich bei Hartz IV um eine der tief greifendsten Entscheidungen handelt, die der Kreistag je zu treffen hatte. CDU (mehrheitlich), SPD, FDP und FWG stimmten für das Kooperationsmodell mit der Agentur für Arbeit, VBB und Grüne hätten lieber einen Alleingang des Kreises gesehen.

Ab dem 1. Januar 2005 wird sich eine Arbeitsgemeinschaft der Agentur für Arbeit und des Landkreises Bernkastel-Wittlich um die Grundsicherung für Arbeitssuchende kümmern. Das beschloss der Kreistag am Montag mit 26 gegen neun Stimmen (der TV berichtete). Der Antrag von Grünen-Sprecher Thomas Schmitt-Schäfer, der Kreis möge das Optionsrecht ausüben und die Abwicklung in Eigenregie übernehmen, fand keine Mehrheit. Schmitt-Schäfer hatte für eine dezentrale Umsetzung unter Steuerung der Kreisverwaltung plädiert.Options-Befürworter auch bei der CDU

Mit den CDU-Kreistagsmitgliedern Otto Maria Bastgen und Heribert Knob fanden die Options-Fürsprecher von Grünen und VBB Verbündete, die ihre Meinung engagiert am Rednerpult vertraten. "Wir können es genauso gut, wir berauben uns einer Chance", bemerkte Knob. Er bedauerte, dass eine so wichtige Entscheidung wie diese Sozialreform in so kurzer Zeit durchgedrückt werden müsse. "Ich gehöre zu den sechs Bürgermeistern, die das Optionsmodell favorisiert haben", sagte der Kröver Verwaltungschef Bastgen. Lediglich die großen Verbandsgemeinden Wittlich-Land und Bernkastel-Kues sowie die Stadt Wittlich hätten sich dagegen ausgesprochen. Bastgen: "Wir als VG sind in der Lage, diese Arbeit besser zu übernehmen, wir kennen unsere Klientel." "Wir lassen eine Riesenchance aus", fand Thomas Schmitt-Schäfer und verwies auf das erfolgreiche Programm "Hilfe zur Arbeit". "Warum seid ihr so furchtsam" - Johannes Schneider (VBB) bemühte gar das Matthäus-Evangelium, um die Optionsgegner auf den letzten Drücker umzustimmen. Durch die Gründung der Arbeitsgemeinschaft mit der Agentur für Arbeit baue man eine neue Organisation auf, anstatt die Sozialsysteme zu entbürokratisieren, bemerkte Schneider."Ursprünglich gute Idee aufgeweicht"

Ein Alleingang des Kreises berge zu viele Risiken, so SPD-Fraktionsvorsitzender Günter Rösch. Er will ungern auf die Erfahrung des Arbeitsamtes in der Jobvermittlung verzichten. Andernfalls würde man "auf engem Raum zu Konkurrenten". Es gelte, die Kräfte zum Wohl der Betroffenen zu bündeln. Das Reformziel, eine optimale Betreuung, werde nur erreicht, wenn Kreis und Agentur gleichberechtigt zusammenarbeiten. Die ursprünglich gute Idee der Option sei so aufgeweicht worden, dass man ihr die Verantwortung für die hilfsbedürftigen Menschen nicht mehr guten Gewissens zutrauen könne, sagte CDU-Fraktionsvorsitzender Jürgen Jakobs. Er hält zwei parallele Systeme der Arbeitsvermittlung für unsinnig, denn schließlich klopften beide bei den gleichen Arbeitgebern an. Außerdem gebe es keinen Rechtsanspruch auf ausreichende Mittel aus Berlin. Auch FDP und FWG sprachen sich für die AG und gegen das Optionsmodell aus. Die finanziellen Unwägbarkeiten seien zu groß, bemerkte FDP-Sprecher Wilhelm Müllers. Für Rainer Kurz (Freie) kommt die Reform 20 Jahre zu spät. Nun aber bedürfe es einer einheitlichen Regelung für die Kommunen. Es gehe um Integration, und da sei das Team Kreis/Agentur auf einem guten Weg, sagte Dieter Kaeswurm, Direktor der Agentur für Arbeit Trier.

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