Wenn die Post nur noch Geschichte ist

BERNKASTEL-WITTLICH. Bis Ende des Jahres sollen im Landkreis Bernkastel-Wittlich zwölf Filialen geschlossen werden (der TV berichtete). Diejenigen, die es betrifft, wurden zum Teil noch gar nicht informiert.

Manchmal reicht nur ein Stück Papier, um eine Jahrhunderte alte Tradition zu beenden. Zum Beispiel in Binsfeld: 1551 soll dort das alte Postkreuz errichtet worden sein, an der Postroute, die damals von Brüssel nach Wien führte. Sechs Tage brauchten die Postreiter für die Strecke. Mittlerweile geht das etwas schneller. Ein Brief, der beispielsweise am 21. September in Essen von einem Sachbearbeiter zugeklebt wird, kann bereits einen Tag später in jeder x-beliebigen Verbandsgemeindeverwaltung geöffnet werden.Die Öffnungszeiten häufig geändert

So wie das Schreiben der Deutschen Post, in dem das "börsenorientierte und im globalen Wettbewerb stehende Wirtschaftsunternehmen" darauf hinweist, "kostenbewusst zu agieren" und deshalb zum Jahresende die Schließung der Postfilialen in Veldenz, Mülheim, Dreis, Sehlem, Großlittgen, Reil und eben Binsfeld ankündigt. "Eine Geschichte von über 500 Jahren endet einfach so mit einem lapidaren Schreiben", sagt Lothar Herres, Bürgermeister in Binsfeld. Dass seine Gemeinde irgendwann auch an der Reihe sei, damit habe er schon gerechnet, sagt Herres, "wenn sogar schon überlegt wurde, Bitburg zu schließen". Doch Verständnis hat Herres für die plötzliche Aktion nur wenig. Auch Horst Faust, Ortsbürgermeister in Mülheim, ist verärgert über den geplanten Abzug. 33 Betriebe gebe es alleine im Gewerbegebiet, weitere innerhalb der 1000-Einwohner-Gemeinde. In einem Brief setzt er sich, wie auch der Gewerbeverein, für den Erhalt der Postfiliale ein - bisher ohne Erfolg. Die "Nachfrage an postalischen Produkten und Dienstleitungen" sei zurückgegangen, liest der Binsfelder Ortschef Herres aus dem Brief der Post vor. Das sei auch nicht verwunderlich, sagt er. Schließlich habe die Post die Öffnungszeiten in den vergangenen Jahren stark reduziert und außerdem häufig geändert. Den Vorwurf, die Post ändere bewusst permanent die Öffnungszeiten, damit die Nachfrage weniger wird und sich die Filiale irgendwann nicht mehr lohnt, weist Jürgen Thomeczek, Pressesprecher der Post, zurück. Änderungen der Schalterzeiten hätten meist damit zu tun, dass bei Urlaub oder Krankheit in der Regel ein Kollege aus einer benachbarten Filiale den Dienst zusätzlich übernehme. Seit 1884 ist das Unternehmen in Binsfeld im Haus von Susanne Weber eingemietet. Dass die Post zum Jahresende abziehen will, darüber wurde seitens des "börsenorientierten Unternehmens" nur die VG Wittlich-Land informiert und über die Verbandsgemeinde dann Bürgermeister Herres.Kündigung kam vergangene Woche

Ähnlich zurückhaltend war die Post auch bei Johanna Schramm, die in Wittlich-Wengerohr Räume an den Dienstleister vermietet. Erfahren hat sie von der Schließung der Filialen in Wengerohr, Landscheid, Salmtal-Salmrohr, Kröv und Traben-Trarbach vor einigen Monaten aus der Zeitung. Gekündigt hat ihr das Unternehmen allerdings erst vergangene Woche. Aus Sicht der Post ist das ganz normal. Es gebe mit jedem Vermieter individuelle Verträge, sagt Postsprecher Thomeczek, und daran orientiere sich auch die Information und Kündigung durch das Unternehmen. So wie bei Johanna Schramm, die mit der Post Ende der 80er Jahre eine einjährige Kündigungsfrist vertraglich festhalten ließ. Weil die Post sie erst so spät darüber informiert hat, was schon spätestens im Juli beschlossene Sache war, muss das "kostenbewusst agierende" Unternehmen nun unter Umständen noch bis Oktober 2005 Miete bezahlen.

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