Wittlich ist kein Abenteuer

WITTLICH. Seine Lieblingsstadt? Nizza. Seine Kleidung? Komplett "Freckmann". Und das ist mehr als eine Geschmackssache: Seit März ist Kay Sibbersen Geschäftsführer des Wittlicher Modehauses.

Jetzt sitzt der Nizza-Fan also in einem Büro über den Dächern von Wittlich: 75 Mitarbeiter, zu 90 Prozent Frauen, und ein Angebot von der Socke übers Sommerkleid bis zum Sakko. Das Modehaus Freckmann in Wittlich, seit über 60 Jahren am selben Standort, hat Kay Sibbersen gereizt. Seit März ist der 57-Jährige dessen Geschäftsführer: "Es gibt nicht mehr viele Inhaber geführte Geschäfte, die nicht an Ketten gebunden sind. Ich halte es für ein erfolgreiches, chancenreiches Unternehmen, das nicht nur weiter entwickelt, sondern auch noch besser positioniert werden kann." Der Textileinzelhandelskaufmann mit einer Zusatzausbildung Marketing beim Managementzentrum St. Gallen hat zuletzt nicht nur Einzelhandelsunternehmen beraten, sondern auch in Essen und Dortmund die Textilhäuser Boecker sowie Cramer und Meermann, beide allerdings mit mehreren Standorten, in Verkaufs- und Geschäftsleitung betreut.Der Glaube an Firmenkonjunkturen

Jetzt also Wittlich und wieder die Textilbranche, die im Einzelhandelsbereich die Zukunft nicht gerade rosig sieht. "Toitoitoi, aber für uns haben die Zahlen 2003 und Anfang 2004 gezeigt, dass wir deutlich über dem Durchschnitt der Textilbranche agieren. Außerdem glaube ich nach wie vor, dass es Firmenkonjunkturen gibt", sagt Kay Sibbersen. Und Wittlich sei kein Abenteuer, sondern "äußerst reizvoll" - nicht nur geschäftlich gesehen. "Die Umgebung hier ist schon hoch attraktiv. Und auch die Wittlicher, soweit ich das schon sagen kann, haben mich offen und fair empfangen. Das gilt auch für die Mitarbeiter, die ich menschlich als sehr wohltuend erlebe." Die Mitarbeiter, sein Kapital neben dem Sortiment, das sind übrigens überwiegend Frauen: "Das ist in der Textilbranche eher normal, denn sie haben eine sehr hohe emotionale Kompetenz, und die hat etwas mit verkaufen zu tun." Neben aktuellen Werbeprospekten der Firma hängen drei Friedensreich Hundertwasser-Drucke im Freckmann-Büro. Die hat er mitgebracht: "Hundertwasser, das ist mein Geschmack. Die Konsequenz in seinen Farben, die Klarheit der Gestaltung gefällt mir. Auch seine Architektur-Projekte sind so eigenwillig, dass sie gut sind", meint der Geschäftsmann, der das Modehaus auch weiter für die Kunst öffnen will, wie schon sein Vorgänger Hans-Jürgen Liebermann: "Zum Altstadtfest werden wir Bilder von Toni Munzlinger ausstellen." Eines seiner "Schweinchen"-Plakate mit einer Widmung an Liebermann hängt im Vorzimmer.Miteinander statt einzeln handeln

"Seit drei Monaten bin ich jetzt in Wittlich und ich werde nicht nach ihm gefragt", meint Kay Sibbersen auf TV -Nachfrage. Ob's am Geschäft an sich liegt? "Handel ist Wandel", jedenfalls ist ein Motto des Wahl-Wittlichers. Und auf die Frage, ob das Haus die bei den Wettbewerbern umstrittenen Rabatt-Aktionen fortsetzten wird: "Man braucht Einstiegspreise, aber auch die obere Preislage als Sahnehäubchen. Wir denken darüber nach, wie wir zukünftig Preisgestaltung machen und sind damit nicht alleine auf der Welt." Und wie will er sich in Sachen Stadtmarketing Wittlich einbringen? "Frequenzsteigernde Aktionen für die Innenstadt, da sehe ich die Hauptchance. Man sagt ja, Einzelhandel handelt einzeln. Da werde ich versuchen, mehr Miteinander zu bekommen."

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