Das Fest der Menschwerdung Gottes

Die Schule ist nicht alles. Aus dem Mund meiner Eltern, früher nach einer Panne in der Schule, tat dieser Satz gut. Ich spürte, sie wollten mich trösten. An der Bedeutung jedoch, die Schule in diesen Zeiten für mich hatte, haben solche Sätze nichts geändert.



Derselbe Satz aus dem Mund eines Lehrers, das war selten genug, doch es gab Persönlichkeiten, die solche Worte wagten, war wie eine Befreiung. Ein Lehrer ist, so empfand ich, zu solchen Worten auf andere Weise autorisiert.

So entscheidend wie die Worte selbst ist der Mensch, der sie uns zuspricht. Befreiung, Menschlichkeit braucht beides: gute Worte und die jeweils ent- scheidenden Menschen, die sie uns zusprechen.

"Fußball ist nicht alles!" Der fußballbegeisterte Sohn hört einen solchen Satz seines Vaters wie eine Mahnung oder einen Appell. Aus dem Mund von Fußball-Autoritäten auf der Trauerfeier für Robert Enke können solche Worte eine aus dem Maß geratene Überbewertung wieder in Balance bringen. Die Umstände, die zu solchen Worten befreiten, waren tragisch. Das Potenzial etwas zu verändern haben sie, denn es waren zum Teil gute Worte, von den richtigen Menschen im entscheidenden Moment gesprochen.

Morgen ist der erste Advent. Christen bereiten sich auf das Fest der Menschwerdung Gottes vor. In einem Slogan heißt es: "Mach es wie Gott, werd' Mensch!" Das könnte damit beginnen, sich zu fragen, welcher Mensch auf meine Worte wartet, weil sie nur aus meinem Mund gesprochen, sein Leben berühren, befreien, wirken und gestalterische Kraft entfalten.Oft reden wir sehr viel, manchmal jedoch ohne das Entscheidende im entsprechenden Moment an den Menschen zu richten, der darauf wartet.

Wir könnten die Wochen vor Gottes Menschwerdung mit geschärfter Aufmerksamkeit, behutsamer Sensibilität und erfrischendem Mut füllen, mit Worten, die Menschen wieder zum Menschsein befreien. ca/mek

J.-W.Henrich ist evangelischer Pfarrer in Traben-Trarbach.

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