"Es tut weh, an Bedeutung zu verlieren"

29 Jungen und Mädchen gehen in unserer Seelsorgeeinheit ("vier Pfarreien, fünf Orte, sechs Kirchen", wie es unser Pfarrer ausdrückt) in diesem Jahr zur Erstkommunion - 16 am vergangenen, dem Weißen Sonntag, 13 morgen.

Sie kommen damit nach der Taufe und vor der Firmung näher an eine Institution "Kirche" heran, der so wenig Vertrauen entgegen gebracht wird wie sonst nur der gesetzlichen Rentenversicherung und den politischen Parteien und noch weniger als etwa dem Arbeitsamt, den Gewerkschaften oder dem Deutschen Bundestag, die ja nun wirklich nicht als vertrauenswürdig gelten. Diese und weitere entmutigende Zahlen ergeben die jüngste Umfrage der Illustrierten "Stern", aber auch die regelmäßige Erhebung des Instituts für Demoskopie Allensbach. Wenn die Statistiken Recht haben, dann werden die allermeisten "unserer" 29 Jungen und Mädchen, nämlich 24 oder 25, in kurzer Zeit mit der katholischen Kirche allenfalls gelegentlich noch zu tun haben: Bei der Hochzeit vielleicht und dann noch bei Begräbnissen. Lediglich 16 Prozent, also vier oder fünf der 29 Kinder, werden sich in einigen Jahren noch als "kirchennah" bezeichnen und oft, vielleicht sogar wöchentlich, den Sonntagsgottesdienst besuchen. Fazit: trübe Aussichten. Das sieht auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Lehmann, so. Die "Stern"-Erhebung kommentierte er mit den Worten, das Ergebnis sei "ein dramatisches Urteil", und fügte hinzu: "Es tut weh, an Bedeutung zu verlieren". Allerdings wies Lehmann auf einen "folgenreichen Fehler" der Stern-Umfage hin: Sie trennt nämlich die Verbände, die die Umsetzung des christlichen Auftrags der Nächstenliebe zum Ziel haben - Caritas und Diakonie -, von der Kirche; und diesen Organisationen wird - im Gegensatz zu den Kirchen - ein hohes Maß an Vertrauen entgegen gebracht. Anders ausgedrückt: Hier ist Kirche für viele Menschen glaubwürdig. Vielleicht liegt in dieser Erkenntnis ein Schlüssel, der auch für etliche der 24 oder 25 unserer Erstkommunionkinder einen Weg zur Kirche zeigt, der sonst nach dem Weißen Sonntag ganz rasch zu Ende wäre: dass nämlich der Auftrag der tätigen Nächstenliebe und die Erfüllung dieser Aufgabe das ist, was Kirche seit ihrem Beginn nicht nur glaubwürdig, sondern auch sympathisch und attraktiv macht. Ohne Gottesdienst und Wortverkündigung hintanzustellen: Das Bewusstsein der Diakonia Christi, die durch uns (vor)gelebte Hilfe für Hilfebedürftige in den Gemeinden und durch die karitativen Verbände, kann zur Schicksalsfrage werden. Wenn sie glaubhaft gelebt wird, dann kann Kirche wieder mehr Bedeutung erlangen. Dann kann sie Zukunft haben - auch für die 29 Kinder aus unserer Seelsorgeeinheit, die in diesen Tagen zur Erstkommunion gingen oder gehen. Eucharius Maria Grocholl Manderscheid

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