INTERVIEW

Der Wittlicher Jürgen Schmidt ist einer der wenigen, der noch vieles über die ehemaligen Kasernen zu erzählen weiß. Der TV hat einmal nachgefragt, was ihn mit der Anlage verbindet. Sie waren damals noch sehr jung, als die Wittlicher Garnison gebaut wurde. Welche Beziehung haben Sie zu den Kasernen? Jürgen Schmidt: Mein Vater war Musiker in der Landespolizeikapelle Thüringen. Nach der Übernahme in die Wehrmacht 1937 übertrug man meinem Vater die Leitung des Musikkorps des II. Inf. Rgt. 103 in Rudolfstadt in Thüringen. Dieses Orchester wurde Anfang November 1938 nach Wittlich zum III. Inf. Rgt. 105 verlegt. So kam ich durch die Garnison nach Wittlich. Sind Sie nun mehr Wittlicher oder mehr Thüringer? Schmidt: Natürlich bin ich Wittlicher, ich lebe ja nun schon fast 65 Jahre hier. Im Herzen bin ich auch noch ein bisschen Thüringer. Sehr zum Leidwesen meiner Frau bin ich Thüringer Kuchen-Fan. Woher haben Sie die Informationen über die Kasernen und die Garnison? Schmidt: Viele 105er sind in Stalingrad geblieben. Nachdem 1953 die letzten Kriegsgefangenen aus russischer Gefangenschaft heimkamen, wollten sich die ehemaligen Aktiven der 105er in Wittlich treffen, um Vermisstenschicksale zu klären. Natürlich wollte man auch Wiedersehen feiern. Die Vorbereitungen zu dem ersten Treffen im Jahre 1954 fanden in unserer Küche statt. Ich erinnere mich, dass plötzlich einer der Prinzen von Hohenzollern, der bei der 105er Kompaniechef war, in unserer Küche stand und mein Vater immer "Durchlaut" stammelte. So habe ich eben viel über die 105er und die Garnison mitgekriegt und alles, was geschrieben wurde, aufgehoben und Informationen gesammelt. In dieser Küche wurde übrigens 1946/47 der Kreisverband Wittlich des VdK gegründet. Hatten Sie auch noch nach dem Kriege Verbindung zur nunmehr französischen Garnison? Schmidt: Ich war Mitgründer der Deutsch-Französischen Gesellschaft Wittlich und in meiner Eigenschaft als Geschäftsführer war ich des öfteren in der französischen Kaserne. Dabei bekam ich schon manchmal ein bisschen Herzklopfen, wenn ich im Stabsgebäude war, in dem mein Vater einst sein Büro hatte. Gibt es in Wittlich noch ehemalige 105er? Schmidt: Der letzte ehemalige 105er, den ich kannte, war Buchhändler Ernst Werth. Er ist kürzlich verstorben. Immer, wenn ich ihm in der Burgstraße begegnete, kam ich nicht an ihm vorbei. Er erzählte von früher, wobei ihn offenbar das Musikkorps meines Vaters besonders beeindruckt hatte. Gab es nach dem Kriege noch Musiker, die hier in Wittlich geblieben sind? Schmidt: Ja, außer meinem Vater, der nach dem Kriege vielen jungen Menschen das Klavierspielen beibrachte, gab es noch Carl Schröder, der 1949 und 1950 das Blasorchester Wittlich dirigierte, aber dann aus beruflichen Gründen Wittlich verließ. Dann gab es Erwin Faustmann, der ein ausgezeichneter Pianist war und Fagott blies und viele Jahre Organist in der evangelischen Kirche war. Und dann natürlich Horst Koch, der Allround-Musiker, der in vielen Orchestern spielte und den Musikverein viele Jahre leitete. Wie hat der Bau der Kasernen die wirtschaftliche Situation der Stadt Wittlich beeinflusst? Schmidt: Infolge der enormen Bautätigkeit gab es ab 1937 praktisch keine Arbeitslosen mehr in Wittlich. Nach Einzug der Soldaten, teilweise mit Familien, hatte die Stadt Wittlich rund 1000 Einwohner mehr, die nicht nur in die Gaststätten und Kneipen Kaufkraft brachten. Sind Sie nun traurig darüber, dass die Kasernen abgerissen werden? Schmidt: Nur ein bisschen, weil ich ohne die Wittlicher Garnison gar nicht hier hätte leben können. Zur Erinnerung habe ich mir einen Sandstein vom Stabsgebäude der Infanterie-Kaserne erbeten. Ich hoffe, die Stadt erfüllt mir diesen Wunsch.

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