Keine Frage der Ehre

Ehrenamtliches Engagement ist gut und notwendig. Ohne Ehrenamt gäbe es keinen Breitensport, keinen flächendeckenden Katastrophenschutz und auch keine kommunale Selbstverwaltung. Der politische Bereich jedoch ist deutlich sensibler als die anderen vom Ehrenamt getragenen und das nicht, weil es für Ortsbürgermeister eine durchaus bescheidene Aufwandsentschädigung für ihre Mühen beim "Regieren" eines Dorfes gibt.

Das Engagement von Mitarbeitern der Kreisverwaltung als Ortsbürgermeister oder Gemeinderäte in allen Ehren, es wirkt aber schon seltsam, wenn ausgerechnet für die kommunale Aufsichtsbehörde weniger strenge Regeln gelten als für die Verwaltungen der Verbandsgemeinden. Denn auch dort könnte man ja darauf vertrauen, dass ein Kollege die Aufgaben übernimmt, wenn das eigene kleine Königreich betroffen ist, und dass die Arbeit vor Ort zudem angeblich genauer unter die Lupe genommen wird, wenn sie ein Verwaltungsmann oder eine Verwaltungsfrau tut. Genau das duldet das Gesetz im VG-Bereich jedoch nicht - wohl wissend, dass Vertrauen gut, eine klar geregelte Kontrolle allerdings besser ist. Eine ähnliche Einschränkung für den Bereich der Kreisverwaltungen wäre nicht ehrenrührig, sondern konsequent und sinnvoll, damit Missverständnisse gar nicht erst entstehen und niemand auch nur in Versuchung geführt wird. Es bedarf keineswegs eines übermäßigen Misstrauens oder hochfliegender Fantasie, sondern schlicht des gesunden Menschenverstands, um zumindest zu erahnen, dass es eine Neigung gibt, in wirklich kritischen Situationen einen Bekannten, einen Kollegen, ja, möglicherweise einen Vorgesetzten anders zu behandeln als einen Fremden. Und "anders" heißt in diesem Fall - das lehrt die Erfahrung - nicht unbedingt härter und kritischer. Das Argument Verwaltungserfahrung sei bei ehrenamtlicher Arbeit in der Kommunalpolitik hilfreich, ist zwar nachvollziehbar, zugleich aber gefährlich. Denn wenn das Amt des Ortsbürgermeisters tatsächlich solch fundiertes Vorwissen erfordert, um halbwegs kompetent ausgeübt zu werden, dann stellt dies den Sinn des Ehrenamts in diesem Bereich insgesamt in Frage. Vielleicht sollte in manchen großen Gemeinden und verbandsangehörigen Städten tatsächlich über eine Professionalisierung des Bürgermeisterpostens nachgedacht werden. l.ross@volksfreund.de

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